Bild Vom Werden dieser Vereinschronik

Immer wieder wird man mit der Tatsache konfrontiert, dass sich ein Verein seiner eigenen Geschichte nicht bewusst ist, dass Dokumente, Zahlen und Fakten schnell in Vergessenheit geraten. Die heute üblichen Internet-Präsenzen von (nicht nur Schach-)Vereinen sind mit Blick auf die Darstellung der Vergangenheit enttäuschend schwach dokumentiert. Nicht selten liest man darüber, dass nicht einmal das genaue Gründungsjahr bekannt ist – von vollständigen Meisterlisten oder Ergebnis-Dokumentationen ganz zu schweigen.
Selbst Vereine, die sich dieser Verantwortung bewusst sind, haben nicht immer das Glück, auf zeitgenössische Unterlagen zurückgreifen zu können. So musste unlängst ein anerkannter Verein einer Nachbarstadt zu seinem 150jährigen Jubiläum feststellen:
"In … der Nachwendezeit verlor die Sektion … bedauerlicherweise auch ihre wertvollen Bestände an Büchern, Zeitschriften, Pokalen und uralten Vereinsdokumenten durch grobe Nachlässigkeit des … Hausmeisters … Nur wenige Bücher und Zeitschriftenbände, die zufällig an Mitglieder ausgeliehen waren, blieben erhalten."

Bild Die erhaltenen Dokumente unseres Vereins

Schon als ich 1999 zur damaligen SG Siemens kam, erfuhr ich von einem Vereinsarchiv, in dem viele relativ unsortierte Akten einer Sichtung harrten. So richtig entbrannte mein Interesse an der Vereinsgeschichte aber erst 2006, als der langjährige Spielleiter seine Unterlagen diesem Archiv überantwortete. Erst jetzt begriff ich, dass wir – dank sorgfältiger Arbeit mehrerer Generationen von Vereinsvorständen – über eine sehr gut dokumentierte Geschichte verfügten. Sicher war auch die Tatsache, dass das wichtige Amt des Spielleiters ca. 45 Jahre lang in einer Hand gelegen hatte, hierfür ein glücklicher Umstand.

Erste Beschäftigungen mit dem Vereinsarchiv brachten eine nahezu lückenlos belegbare Vereinsgeschichte für die Nachkriegszeit und einen kurzen Zeitraum vor dem 2. Weltkrieg zum Vorschein. Mitgliederlisten, Turniertabellen und Mannschaftsaufstellungen sind fast komplett enthalten und konnten in Fleißarbeit problemlos aufbereitet werden.
Unter den wenigen darüber hinaus erhaltenen Sachzeugnissen (Fotomappen, Medaillen, Urkunden) berührte uns vor allem das Protokoll über die Verwahrung des Spielmaterials in der Obhut der Mitglieder zum Ende des zweiten Weltkrieges und die Rückgabe bei Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Auch jetzt noch halte ich dieses Original-Papier für unseren wertvollsten Schatz.

Bild Recherchen in Bibliotheken und Archiven

Nach Auswertung der eigenen Unterlagen folgten Recherchen u.a. in der Geschäftsstelle des Berliner Schachverbandes und in dessen Online-Chroniken. Manches Puzzle-Stück konnte dabei ersetzt werden. Zu dieser Zeit gingen wir (wie unsere Vorgänger seit Jahrzehnten) von der Gründung des ersten Schachvereins der Siemens-Beamten im Jahre 1919 aus. Demnach schien uns ein 90jähriges Jubiläum ins Haus zu stehen. Wir wussten aber auch, dass der Siemens-Beamtenverein eine Monatsschrift herausgegeben hatte. Nach kurzer Recherche fand ich heraus, dass einige Exemplare dieser Zeitschrift in der Berliner Staatsbibliothek vorhanden sind. Schon der erste Blick in diese Bestände im Dezember 2007 brachte die Erkenntnis, dass bereits 1913 ein Schach-Verein von Siemens-Mitarbeitern gegründet worden war. Damit hatten wir im SK Doppelbauer einen noch älteren Vorläufer gefunden und konnten nunmehr ein 100jähriges Jubiläum ansteuern.

Vollständige Ausgaben der Schriften des Beamtenvereins und der Kameradschaft Siemens versprach der Internet-Katalog der Deutschen Bücherei in Leipzig. Doch die dortige Anfrage wurde ernüchternd beantwortet: Die Materialien sind im Krieg verloren gegangen.

Auch eine erste Anfrage im Zentralarchiv der Firma Siemens brachte nur wenig Neues. Die Überraschung kam dann zwei Jahre später nach einer zweiten Anfrage an die gleiche Stelle: Im Siemens-Archiv in München sind die kompletten Vereinsnachrichten verfügbar. Seit 60 Jahren hatte sich niemand dafür interessiert. In zwei Tagen angestrengter Arbeit konnte ich dort viele Lücken unserer Geschichtsschreibung schließen und auch manch neue Erkenntnis über das Vereinsleben der frühesten Jahrzehnte gewinnen.

Das Ergebnis dieser spannenden, wenn auch aufwendigen, Arbeit ist eine der am besten dokumentierten Vereinschroniken eines Schachvereins als in sich konsistente Internet-Präsentation. Sie wird fortlaufend aktualisiert und ergänzt. Die noch offenen Fragen (vor allem in den 1950er-Jahren) sollen so gut wie möglich beantwortet werden.
Mit dem Jubiläums-Jahreswechsel 2012/13 konnten wir wesentliche Teile dieser Chronik in Buchform vorlegen. Doch das Projekt als solches wird natürlich nie wirklich fertig. Die Chronik wird beständig fortgeschrieben und ergänzt.

Hinweise zur Chronik

Alle in der Chronik genannten Zahlen, Daten und Fakten sind mit historischen Quellen belegbar, auch wenn nicht in jedem Falle die Quelle unmittelbar genannt ist. Dort wo Unklarheiten uns zu Vermutungen zwingen, ist dies aus dem Kontext erkennbar. Alle Zitate sind als solche gekennzeichnet.
Für Ergänzungen und Korrekturen sind wir selbstverständlich jederzeit dankbar.

Thomas Binder, Berlin


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