Bild Jugendarbeit in früheren Jahrzehnten

Bis ca. 1965 – Einzelne Erfolge mit Langzeitwirkung

Die Bindung des Vereins an den Siemens-Konzern, aber auch das allgemeine Klima in Schach-Vereinen jener Zeit sorgten nicht eben für einen großen Zulauf junger Schachfreunde. Wenn z. B. anlässlich der Vereinsmeisterschaft 1939 ein 25jähriger Spieler als "starker Nachwuchs" und 30 bis 40 Jahre alte Akteure als "jüngere Spieler" bezeichnet werden, so ist damit viel über die Struktur des Schachsports in früherer Zeit gesagt. Dies gilt keineswegs nur für den SK "Werner Siemens".
So blieb der Auftritt junger Spieler immer auf Einzelfälle beschränkt – dann aber oft auf herausragende Persönlichkeiten.

Auch eigenständige Jugendwettkämpfe scheinen eine Erfindung der Nachkriegszeit zu sein. Wenn man der Chronik des Berliner Schachverbandes glauben darf, gab es 1947 die erste Berliner Jugendmeisterschaft.
Jugendspieler waren in unserem Verein damals auf Eigeninitiative angewiesen und wurden von den erfahreneren Spielern nur punktuell gefördert. Dennoch müssen sie sich wohlgefühlt haben – vielleicht gerade weil sie als Gleiche unter Gleichen aufgenommen wurden und keine Sonderstellung zugewiesen erhielten.

Einer der ersten, die noch als Schüler das Schachspiel ernsthaft betrieben, war Manfred Leu. Offiziell 1953 (also mit 15 Jahren) aufgenommen, hatte er sich schon einige Zeit zuvor eifrig am Training beteiligt. Manfred sorgte dann auch für den ersten aufgezeichneten Erfolg, wurde 1957 Siebenter der Berliner Jugendmeisterschaften in einem Turnier, welches der spätere Großmeister Hecht gewann.

In den Ergebnissen der Berliner Jugendmeisterschaft von 1961 ist Rolf Rochusch auf einem mittleren Tabellenplatz vermerkt. Er war zu dieser Zeit noch vereinslos, fand ca. 1970 zu uns.

Etwas später kamen – ebenfalls 15jährig – Thomas Glatthor und Lutz Bohne zu uns. Glatthor arbeitete sich langsam aber stetig nach vorn, wurde Anfang der 1970er-Jahre Spitzenspieler der SG Siemens und hält uns noch heute als Senior die Treue. In nahezu allen regelmäßig ausgetragenen Meisterschaften ist er unser Rekordsieger.

Lutz Bohne wurde 1963 Dritter der Berliner Jugendmeisterschaft und stand in der Berliner Auswahl bei den deutschen Mannschaftsmeisterschaften der Jugend. Dies sollte aber unsere letzte Einzel-Medaille bei einer Berliner Jugendmeisterschaft für die nächsten 43 Jahre bleiben. Schon 1963 und 1964 gewann Lutz Bohne unsere Vereinsmeisterschaft im Blitzschach, wurde 1967 Vereinsmeister und war bis zu seinem Weggang 1969 eine Stütze der ersten Mannschaft.

Nach 1970 – erste Trainingsgruppen

Bild Es war dem Engagement von Wülfing Etter zu danken, dass um das Jahr 1973 erstmals der Ansatz einer intensiven Jugendarbeit mit größerer Trainingsgruppe versucht wurde. Die Schüler kamen vorwiegend aus der Siemensstadt, womit wir unseren Rang als Schachverein mit Lokalkolorit unterstrichen. Basis dieser Jugendarbeit war eine lockere Zusammenarbeit mit dem Siemens-Gymnasium (Gesamtschule) (siehe Foto von 1991).
Über die Trainingsformen und -intensität jener Zeit ist wenig bekannt. Den recht ausführlichen Berichten von Etter ist freilich zu entnehmen, dass die Schüler (damals um die 14 Jahre alt) mit großer Begeisterung bei der Sache waren.
Seinen Texten entnehmen wir auch, dass das Wettkampfsystem der Berliner Schachjugend gerade in einem recht ungeordneten Zustand war. Dennoch nahmen unsere jungen Schachfreunde an einigen Turnieren teil. Größere Erfolge blieben aus, den nachhaltigsten Eindruck haben wohl die gemeinsamen Erlebnisse der Mannschaftsmeisterschaften hinterlassen.
1973 erreichte man dort mit einem Unentschieden und 4 Niederlagen den sechsten und letzten Platz. Dabei blieb Mathias Fraaß (einer der Jüngsten und offenbar der begabteste Jugendspieler jener Zeit) ungeschlagen. Zur Mannschaft gehörten ferner die Spieler Rühe, Schwab, Kempin, Zametzer, Prondzinski, Zittlau, Schmidt, Leitgeb und Baumgarten. Ein Jahr später schied man mit einem Sieg und drei Niederlagen in der Vorrunde aus.

Von Etter sind eine ganze Reihe treffender Kommentare und Kritiken erhalten geblieben. Sie zeigen, wie intensiv er sich mit dem Spiel seiner Schützlinge befasste. Einige amüsante Passagen sollen an dieser Stelle zitiert werden:
"… darf man sagen, daß das Spiel … an Festigkeit und Geschlossenheit bei der Konkurrenz mit fremden Gegnern erheblich über dem sonst Gezeigten lag."
"Er spielte mit Abstand am hastigsten. Seine Stellung geriet ohne Ausnahme stets in Unordnung und immer auf Brettbreite. Seine schnellen Entschlüsse am Brett lassen einen etwas weiter gezielten Plan nicht aufkommen. … Die Unordnung seiner Stellung sowie überhaupt das Fehlen eines Blicks für die Verteidigung ließen ihn dann auch regelmäßig zusammenbrechen."
"Er spielte in diesem Jahr reichlich zerfahren nicht nur wegen der ständigen Angst, rechtzeitig zuhause zu sein."
"Besser wäre dennoch, wenn er den Meistern mehr Zutrauen entgegenbrächte und erst dort von Vorbildern abwiche, wo der Gegner den Pfad der Theorie verläßt."
"…verfällt er viel zu oft einer Reizsituation (z. B. Bauerngewinnaussicht), die er ohne Kontrollmechanismus in Handlung aufschlüsselt … Er urteilt hastig mit schnellfüßiger Endgültigkeit."

Etwa 1976 gab Wülfing Etter sein Engagement auf. Seine Schüler hatten sich altersbedingt mehrheitlich anderen Interessen zugewandt und seinen Berichten ist die Resignation anzumerken, nicht das erreicht zu haben, was seinem Anspruch gerecht geworden wäre. Dennoch ist festzuhalten, dass die SG Siemens erstmals in ihrer langen Geschichte eine systematische Jugendarbeit auf breiter Basis betrieben hat.

Nach 1980 – kurzer Aufschwung in Eigeninitiative

In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre kam es zu einem weiteren kurzen Aufblühen der Nachwuchsarbeit. Er war wohl vorwiegend der Eigeninitiative der beteiligten Jugendlichen zu verdanken, die bereits zuvor den Weg in unseren Verein gefunden hatten. Nicht zufällig handelte es sich erneut um Schüler des Siemens-Gymnasiums.
Größter Erfolg war der Gewinn der Berliner Meisterschaft der Schulen im Jahre 1982 durch die Spieler Uwe Voigtländer, Michael Pieczinski und Oliver Fromm (alle SG Siemens) sowie Carsten Schlemmel (SC Zitadelle). Ein Jahr zuvor hatten sie im gleichen Wettbewerb Platz 2 belegt.
Ebenfalls 1982 wurde Ingo Scharfenberg Berliner Jugend-Pokalsieger. Dabei ließ er den späteren Großmeister Robert Rabiega und weitere namhafte Spieler hinter sich.

Als Bindeglied zum neuen Jahrtausend seien Marco Ibrahim und Simon Ersel erwähnt. Als 15jährige kamen sie 1995 zu uns und integrierten sich schnell in den Verein und seine Mannschaften. Von Manfred Leu verständnisvoll gefördert, erreichten sie ein beachtliches Spielniveau.


BildBild

Vereinschronik –– Übersicht zur Jugendarbeit