Trainingsmaterial Nr. 4

Inhaltsverzeichnis

Glanzstücke der Schachgeschichte – Folge 2
Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 4
Hausaufgabe
Vom Remisbieten
Final Fun




  Glanzstücke der Schachgeschichte

Wir setzen unseren Streifzug durch denkwürdige Partien und Kombinationen fort.

Heute sehen wir zunächst die wohl kurioseste Remispartie aus dem ordentlichen Turnierleben. Sie wurde 1870 in Wien zwischen zwei österreichischen Spitzenspielern jener Zeit gespielt: Karl Hamppe (1814 – 1876) und Philipp Meitner (1838 – 1910). Hamppe war übrigens "Erfinder" der Wiener Partie, die auch hier zum Einsatz kommt.
Hamppe – Meitner, Wien 1870

Die nächste Partie gehört ebenfalls zu den glanzvollsten Kombinationen, die in keinem Standard-Lehrbuch fehlen.
Sie wurde zwischen 2 der stärksten Spieler in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg gespielt. Vor allem Akiba Rubinstein (1882 – 1961) aus Polen gehörte zu den absoluten Top-Spielern jener Jahre. Später verfiel er dem Wahnsinn und war dem Hungertode nahe, als ihn das Schachspiel nicht mehr ernähren konnte – trauriges Schicksal vieler Schach-Profis wenn es an der Absicherung durch einen "ordentlichen" Beruf fehlt.
Dennoch ist Rubinstein unvergessen – nicht zuletzt wegen dieser Partie!
Sein Gegner Georg Rotlewi (1889 – 1920) gehörte in jener Zeit ebenfalls zur Weltklasse.
Die Partie wurde 1907 oder 1908 (Die Quellen widersprechen sich.) in Lodz gespielt.
Rotlewi – Rubinstein, Lodz

Auch der folgende berühmte Partieschluss ist immer wieder beeindruckend. Die Partie wurde 1934 in Madrid zwischen zwei spanischen Meistern gespielt. Auch Tim Krabbé widmet dieser Partie auf seiner Homepage einen ausführlichen Artikel.
Ortueta – Sanz, Madrid 1934




  Eröffnungsfallen – Heute: Die Turm-Läufer-Batterie

Wieder wollen wir ein typisches Manöver kennenlernen, das sich in ganz verschiedenen Eröffnungen ergeben kann.
Unter günstigen Umständen können nämlich Turm und Läufer im Zusammenspiel den unrochierten König Matt setzen. Dafür kann (muss) man sogar die Dame opfern.

Auffällig häufig ergibt sich dieses Motiv in einer Gambitvariante der Französischen Verteidigung.
Sehen wir einige Beispiele dazu.
Lundquist – Philipps, Österreich 1980
Sidelnikow – Wassiliew, Moskau 1961
Pötzschmann – Schröder, DDR 1960

Und nun noch zwei Beispiele aus der Caro-Kann-Verteidigung. Hier hat der König ein zusätzliches Fluchtfeld auf c7. Aber auch das wird ihm wenig nutzen.
Reti – Tartakower, Wien 1910
Tarrasch – N.N., Berlin 1931




  Hausaufgabe

Heute gibt es wieder eine kleine Hausaufgabe, die wir erst in einem späteren Trainingsmaterial auflösen.
Es geht darum, eine Partie zu beurteilen, festzustellen wo die Fehler liegen und was man hätte besser machen können.
Einige konkrete Fragen sollen dabei helfen.
Hier also die Partie ohne jeden Kommentar: Partie zum Nachspielen

Und hier nun die Fragen:

  1. Ganz allgemein und ohne konkrete Varianten: Warum hat Schwarz verloren?
  2. Welche Eröffnung wird gespielt und was bedeutet das für die weiteren Pläne beider Spieler?
  3. Schwarz opfert im 15. Zug eine Qualität (Turm gegen Leichtfigur). Wie ist diese Entscheidung zu beurteilen?
  4. Schwarz konnte im 15. Zug mit e5-e4 einen Gegenangriff starten und den Läufer d3 aussperren. Wie geht die Partie danach weiter?
  5. Ist die weiße Schlusskombination korrekt? Kann sich Schwarz besser verteidigen?



  Vom Remisbieten

Den Vorgang, dass man sich einfach mit seinem Gegner auf ein Unentschieden einigt, kennt wohl kaum eine andere Sportart. Aber auch dabei müssen wir einige Regeln beachten:

  1. Das Remisgebot ist nicht der letzte Ausweg vor dem Aufgeben! Wir bieten nur dann Remis, wenn wir glauben, dass die Partie unentschieden enden wird oder wenn es für unsere Mannschaft wichtig ist.
  2. Remis darf nur bieten, wer am Zuge ist. Andererseits kann der Gegner verlangen, dass man einen Zug macht. Er kann seine Entscheidung so lange hinauszögern. Deshalb bietet man am besten das Remis unmittelbar bei der Zugausführung.
  3. Es wird nur kurz gesagt: "Ich biete Remis". Jede weitere Erklärung unterbleibt.
  4. Wenn die Partie mitgeschrieben wird, muss auch das Remisgebot notiert werden.
  5. Das Remisgebot ist verbindlich, bis der Gegner gezogen hat – nicht länger und nicht kürzer.
  6. Man kann ein Remis mit Worten ablehnen oder einfach dadurch, dass man weiterspielt. Üblicherweise sagt man "Ich möchte noch etwas spielen." Jede weitere Bemerkung entfällt.
  7. Wurde ein Remis abgelehnt, darf der gleiche Spieler nicht sofort wieder Remis bieten. Die Regeln verbieten dies ausdrücklich als eine Form der Belästigung. Faustregel: Man darf erst wieder nachfragen, wenn sich der Charakter der Partie grundsätzlich gewandelt hat (z. B. Materialverlust oder -gewinn) oder wenn sich im Mannschaftskampf eine wesentliche Veränderung ergeben hat.
  8. Im Mannschaftskampf darf man bei einem gegnerischen Gebot oder wenn man selbst Remis bieten will, den Betreuer oder Mannschaftskapitän fragen. Er darf nur sagen, ob ein Remis für die Mannschaft günstig wäre, oder ob der Spieler unbedingt weiterspielen soll. Jede Bemerkung über die Partie (selbst ein "Du stehst doch besser.") ist verboten.
    Die Entscheidung trifft aber immer der Spieler selbst.

Zum Schluss drei kurze Begebenheiten aus meiner eigenen Spielpraxis:




  Final Fun

Welches ist eigentlich das schlechteste Schachbuch aller Zeiten?
Nun – heute wissen wir alle, dass zu einer ordentlich aufgebauten Eröffnung auch die Rochade gehört.
Das war nicht immer so klar. Im ältesten schwedischen Schachbuch "Kort Afhandling" (1784) behauptete der Autor, ein Herr Königstedt, doch allen Ernstes: "Gute Spieler rochieren nie" .
Seine Leser, die mit dieser Empfehlung nicht ganz klar kamen, dürften heftig protestiert haben. (Gab es damals schon Leserbriefe?).
So hat der Autor in der nächsten Auflage seine Aussage dann korrigieren müssen. Aber ganz konnte er doch nicht über seinen Schatten springen. Deshalb hieß es dann: "Gute Spieler rochieren selten."




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Thomas Binder, 2003