Trainingsmaterial Nr. 22

Inhaltsverzeichnis

Glanzstücke der Schachgeschichte – Folge 8
Bildhafte Begriffe am Schachbrett – Folge 2
Endspiel intensiv – Folge 5
Festungsbau
Hausaufgabe
Eröffnungsgrundsätze




  Glanzstücke der Schachgeschichte

Wir bedienen uns wieder einmal in der unerschöpflichen Sammlung des Autors Tim Krabbé. Er hat auf seiner Homepage u.a. eine Zusammenstellung der 110 schönsten Züge der Schachgeschichte veröffentlicht ("The 110 greatest moves ever played").
Drei auf verschiedene Art interessante Beispiele wollen wir uns anschauen.

Zum Auftakt eine erfrischende Kurzpartie zweier russischer Meister:
Rusakov – Verlinsky, Moskau 1947

Von der Kurzpartie zum Endspiel: Sehen wir den Schluss eines Großmeisterduells zwischen dem Spanier Bellon und dem Kubaner Garcia.
Bellon – Garcia, Kuba 1976

Und noch ein Sieg eines Kubaners im Duell zweier Großmeister. Reynaldo Vera gewinnt hier gegen den Argentinier Garcia Palermo.
Garcia Palermo – Vera, Kuba 1981




  Bildhafte Begriffe am Schachbrett
Heute: Fesselung und Spiess

Der Begriff der Fesselung ist uns eigentlich schon geläufig. Heute wollen wir das Wissen darüber noch etwas zusammenfassen.

Hier also zunächst die wichtigsten Begriffe mit jeweils einem erläuternden Bild dazu.

Zunächst ganz einfach: Eine Echte Fesselung liegt vor, wenn der gefesselte Stein überhaupt nicht ziehen kann. Das ist nur der Fall, wenn er dadurch ein Schach aufdecken würde. echte Fesselung
Als fast echte Fesselung bezeichnet man die Situation, wenn die gefesselte Figur nur entlang der Fesselungslinie ziehen darf. Dabei kann sie evtl. die fesselnde Figur schlagen. fast echte Fesselung
Eine unechte Fesselung liegt vor, wenn die gefesselte Figur beliebig ziehen kann, weil dabei nicht der König ins Schach gerät, aber z. B. die Dame verloren geht. Gerade bei unechten Fesselungen muss man immer darauf achten, dass der Gegner keinen überraschenden Abzug anbringen kann. Unechte Fesselung
Von einer Kreuzfesselung ist die Rede, wenn eine Figur im Schnittpunkt zweier Linien steht und auf beiden eine Fesselung gegeben ist. Kreuzfesselung
Schließlich spricht man von einer Halbfesselung wenn 2 Figuren in einer Wirkungslinie stehen und bei Wegzug der einen die andere gefesselt wäre. Halbfesselung

Sehen wir nun 2 Partiebeispiele:
Zunächst die sogenannte "Unvergängliche Fesselungskombination" aus einer frühen holländischen Fernpartie
Boekdrukker – Lewander, 1936
Und zum Abschluss eine Fesselung aus einer Eröffnungsfalle heraus, die mir in schnellen Partien auf dem Fritz-Server immer wieder gelingt :-)
Binder – NN

Soviel also zur Fesselung. Alle diese Beispiele haben eine Gemeinsamkeit, die den Begriff "Fesselung" kennzeichnet: Die "vordere" Figur ist weniger wertvoll, als die "hintere". Deshalb wird (oder muss) man vermeiden, diese Figur weg zu ziehen, auch wenn sie dabei verloren geht. (Wir betrachten natürlich den König als wertvollste Figur. Sein Schutz hat oberste Priorität).

Oft mit der Fesselung verwechselt wird der "Spiess". Dieses Motiv ist dadurch gekennzeichnet, dass die stärkere Figur "vorn" steht. Sie muss weggezogen werden und öffnet dabei eine Wirkungslinie zu einer schwächeren Figur, die dann verloren geht. (Wieder wollen wir den König als wertvollste Figur betrachten.)
Zwei sehr schöne Studien verdeutlichen die Wirksamkeit solcher Spieß-Drohungen. In beiden Fällen wird schließlich die Dame erobert.
Studie von van Vliet
Studie von Rinck




  Endspiel intensiv
Heute: Geometrische Grundbegriffe im Bauernendspiel

An vielen Stellen früherer Trainingsstoffe sind uns die heutigen Themen bereits begegnet. Jetzt wollen wir sie noch einmal gebündelt besprechen. Wir lernen geometrische Aspekte der Königsbewegung im Endspiel verstehen.
Es handelt sich um:

Der Stoff dazu befindet sich in einem gesonderten Dokument:
Geometrische Motive der Königsführung im Endspiel




  Festungsbau

Genau genommen also noch ein bildhafter Begriff, jedoch einer der weitere Betrachtung verdient.
Durch "Festungsbau" lassen sich oft materiell klar nachteilige Stellungen noch erfolgreich verteidigen. Das Geheimnis besteht (wie bei vielen anderen Motiven auch) darin, dass man im richtigen Moment an diese Möglichkeit denkt.

Beim Festungsbau gibt es im Prinzip zwei Grundmuster:

In beiden Fällen wird sich der Verteidiger hinter seiner Festung verschanzen. Der Angreifer müsste zum Aufbrechen der Festung so viel Material opfern, dass er danach nicht mehr gewinnen kann.

Sehen wir uns zunächst 2 Beispiele zum Thema "Festung durch eine Bauernkette" an. Im ersten Beispiel handelt es sich um eine bekannte Studie, welche das Grundprinzip ideal verdeutlicht.
Studie von Rudolph, 1912
Zugegeben, das war konstruiert. Aber auch in der praktischen Partie ist dieses Motiv zu sehen:
A. Petrosjan – Hazai, Jerewan 1970

Nun sehen wir ein anderes Motiv, das ebenfalls unter dem Begriff "Festungsbau" verbreitet ist. Es geht um die Verteidigung materiell nachteiliger Endspiele durch das Verschanzen hinter einer sicheren Festung, in die der Gegner nicht mit vertretbarem Aufwand eindringen kann.
Sehen wir auch dazu einige Beispiele:
Grundmotiv der Festung
Fast identisch kam dieses Motiv auf höchster Wettkampfebene – im Kandidatenturnier zur Weltmeisterschaft – vor.
Flohr – Lilienthal, 1950
Es folgt ein Beispiel mit einer Festung aus 2 Läufern.
Studie von Lolli, 1763
Und schließlich eine seltene Festung, in welcher die Dame eingesperrt wird. Wir sehen einen genialen Trick des tschechisch-deutschen Großmeisters Vlastimil Hort ("Schach ist scheeen – wenn man kann.") aus der Partie gegen den holländischen Großmeister Hans Ree.
Ree – Hort, Niederlande 1986




  Hausaufgabe

Wir lösen jetzt die Aufgabe aus Training Nr. 20 auf.

Es handelte sich um lehrreiche 2 Stellungen aus Meisterpartien.
Hier die Antworten:
Lösung zur 1. Aufgabe
Lösung zu beiden Fragen der 2. Aufgabe


Und hier nun die neuen Aufgaben für dieses Mal.

Wir sehen 3 einfache Aufgaben zum Thema "Festungsbau". Vor allem die beiden ersten sollten keinerlei Probleme stellen, wenn man die Ausführungen zu diesem Thema aufmerksam gelesen hat.
Aufgabe 1
Aufgabe 2
Aufgabe 3




  Grundsätze für gutes Eröffnungsspiel

Wir haben in unserer Serie zu den Eröffnungsfallen genug schlechte Eröffnungszüge gesehen. Nun wollen wir noch einmal zusammenfassen, worauf es in den ersten Zügen einer Partie ankommt. Viele große Meister und Schachlehrer haben versucht, das wesentliche in prägnanten Sätzen darzustellen.

Unter diesen Angeboten habe ich mich für die "10 rules for opening" des Exeter Chess Club entschieden:

  1. Bringe deine Figuren schnell ins Zentrum. Die Eröffnung ist ein Wettrennen um die Beherrschung des Zentrums. Alles andere ist zweitrangig.
  2. Und wie geht das?
  3. Bringe zuerst die Leichtfiguren heraus, nicht die Dame oder die Türme.
  4. Schaffe dir einen sicheren Stützpunkt im Zentrum und gib ihn nicht wieder auf.
  5. Im allgemeinen bringe deine Springer früh nach f3/f6 bzw. c3/c6.
  6. Bringe deinen König durch die Rochade in Sicherheit. Das bringt auch einen Turm ins Spiel.
  7. Beende deine Entwicklung bevor du eine Figur zum zweiten Mal ziehst oder einen Angriff startest.
  8. Halte deine Dame sicher.
  9. Gewinne keinen gegnerischen Bauern bevor du die Entwicklung beendet hast.
  10. Was tun, wenn eine Seite deutlich besser entwickelt ist, als die andere?



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Thomas Binder, 2004