Trainingsmaterial Nr. 47

Inhaltsverzeichnis

Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 25
Figuren im Zusammenspiel – Folge 2
Glanzstücke der Schachgeschichte – Folge 16
Endspiel intensiv – Folge 13
Der letzte Schritt des Bauern
Nachschlag




  Eröffungsfallen und Kurzpartien
Heute: Die Arche-Noah-Falle

Die Arche-Noah-Falle ergibt sich vorwiegend aus bestimmten Zugfolgen der Spanischen Eröffnung. Das dahinter stehende Motiv ist allerdings lehrreich und sollte von jedem Schachspieler erkannt werden. Die Zahl der Spieler, die in diese Falle gegangen sind ist groß. Bekannt wurde vor allem die Partie Steiner – Capablanca, die wir bereits in Trainingseinheit 7 vorgestellt haben. Hier die gleiche Zugfolge aber mit anderen – kaum weniger berühmten – Namen.
Dworzynski – Keres, Moskau 1956
In der Mega-Database 2007 finden sich übrigens 63 Turnierpartien mit diesem Verlauf.

Bemerkenswert ist auch, dass selbst Weltmeister Aljechin, der in einem Buch eine solche Partie analysierte, diese Falle übersah und für Zugwiederholung mit 10.Dd5-c6+ Le6-d7 11.Dc6-d5 Ld7-e6 plädierte. Er übersah wohl, dass der schwarze Turm inzwischen gedeckt ist.
Unklar ist der Ursprung des Namens. Manche Autoren verweisen auf das biblische Alter der Falle. Andere bringen sie mit dem ungarischen Schachspieler Josef Noa in Verbindung.

Eine Variante der Arche-Noah-Falle kommt in folgender Partie aufs Brett. Die Datenbank weist hierzu 5 Beispiele aus.
Showalter – Judd, New York 1889

Der Autor Christian Hesse weist schließlich auf folgende Partie hin. Schwarz versuchte sich hier an der Arche-Noah-Falle, erlitt aber buchstäblich Schiffbruch.
Diesan – Halas, 1973




  Figuren im Zusammenspiel

Heute sehen wir Partien, in denen ein Läufer über die lange Diagonale in die Stellung drückt und der Springer im Zentrum das Spiel aufreißt. Das Einstiegsbeispiel entnehme ich einer Partie zweier Jugendlicher in der Vereinsmeisterschaft.
Beispielpartie, Berlin 2005

In der nächsten Partie aus einer Schacholympiade der Frauen (vom Spiel Seychellen – Mexiko) bringt das gleiche Motiv zunächst einen Bauerngewinn. Später kann Schwarz einen weiteren Bauern mitnehmen, weil der Läufer den Rückweg des Springers unterstützt.
Marie – Mendoza, Dubai 1986

Selbst wenn auch der weiße Läufer schon (ungeschützt) auf dieser Diagonale steht, kann es gefährlich werden.
Matzka – Waibel, Deutschland 1997
Die Warnung vor der offenen Diagonale kann man nicht oft genug aussprechen. Auch hier ist "eigentlich" alles in Ordnung.
Apelt – Steger, Dortmund 2000




  Glanzstücke der Schachgeschichte

Auch heute folgt wieder ein lockerer Streifzug durch die unerschöpfliche Welt der attraktiven Kombinationen.

Sehen wir zunächst ein hübsches Mattfinale aus der Deutschen Bundesliga. Der Angreifer stellt seinen Gegner wie einen angeschlagenen Boxer in die Ecke und holt dann zum KO-Schlag aus: Nach einem Damenopfer genügen Turm und Springer für das Matt.
Casper – Brener, Deutschland 2008

Damenopfer und Mattfinale sehen wir auch in dieser Partie aus der südamerikanischen Frauen-Meisterschaft. Beide Spielerinnen beweisen eiserne Nerven und widersprechen allen Vorurteilen gegen das Damen-Schach. Das bessere Ende hat die Argentinierin Marisa Zuriel für sich.
Carraro – Zuriel, Argentinien 2007

Unser nächstes Beispiel zeigt eine tolle Folge von Opfern und anderen starken Zügen. Der britische Großmeister Raymond Keene bezeichnet diese Partie als die beste, die er je gespielt hat. Auffällig ist, dass der Sieger gar nicht immer den von heutigen Computern bevorzugten Weg geht, sondern konsequent seine geniale Idee umsetzt.
Keene – Kovacevic, Amsterdam 1973

Großmeister Juri Awerbach gehörte in den 1950/60er Jahren zu den stärksten Spielern der Welt. Vor allem ist er aber als Autor von Lehrbüchern bekannt geworden. Lehrbuchreif ist auch die Lektion, die er in dieser Partie seinem Gegner erteilt.
Awerbach – Zak, Moskau 1947

Schließlich zu einer Partie, die von den beiden Spielern – immerhin 2 Weltmeister – "blind" gespielt wurde, also ohne Ansicht von Brett und Figuren. In einer Serie von Top-Turnieren im Blindschach wurde dieser hübsche Partieschluss als eine der besten Leistungen gewählt.
Kramnik – Topalow, Monaco 2003

Fünf Jahre später wurde Kramnik an gleicher Stelle – allerdings in einer "normalen" Schnellschachpartie – Opfer eines genialen Schlages.
Zwei Weltmeister im Duell: Dem Gegner wird ein Schachgebot überlassen und der Auftakt ist zwar ein Damenopfer aber auch ein "stiller Zug" – da ist so ziemlich alles dran.
Kramnik – Anand, Monaco 2008

Auch wenn das Angebot in dieser Folge fast die gewohnten Grenzen sprengt – die folgende tolle Partie des dänischen Großmeisters Carsten Hoi soll als krönender Abschluss folgen. Er bezwang bei der Schacholympiade 1988 einen namhaften Top-Großmeister. Nach einer Reihe (auch in den Nebenvarianten) phantasievoller Opferideen beschließen gleich mehrere Damenopfer-Angebote und ein bildschönes Epaulettenmatt den Angriff.
Hoi – Gulko, Saloniki 1988




  Endspiel intensiv
Das Zifferblattmodell

Heute widmen wir uns einer weiteren Gesetzmäßigkeit im Bauernendspiel. Neben der reinen Oppositionslehre gibt es auch bei anderen Aufstellungen der beiden Könige ein Hilfsmittel, welches langwierige Berechnungen auf ein einfaches Modell zurückführt. Rainer Staudte hat auch hierzu interessante Arbeiten vorgelegt, aus denen ich mit seiner Zustimmung zitiere.
Das Trainingsmaterial befindet sich in einem eigenen Dokument:
Das "Zifferblattmodell" (nach Rainer Staudte)




  Der letzte Schritt des Bauern

Bild Das nebenstehende Bild zeigt uns eine Situation, deren Kern in Turmendspielen immer wieder vorkommt: Der Freibauer steht unmittelbar vor seinem Umwandlungsfeld. Doch sein eigener Turm steht ihm im Wege, muss ihn aber zugleich beschützen. Andererseits muss der Verteidiger den umwandlungsbereiten Bauern immer im Blick behalten.
Wenn es nicht an anderen Fronten auf dem Brett entscheidende Vorteile für einen Spieler gibt – hier z. B. die weiße Bauernmehrheit am Königsflügel – sollte die Partie remis enden.

Anders gestaltet sich das Ergebnis, wenn es dem Angreifer gelingt, seinen Turm mit Tempogewinn abzuziehen. Dann schafft er die Bauernumwandlung und der Gegner muss in der Regel seinen Turm opfern. Dafür gibt es einige typische Manöver, die man kennen muss, um nicht im Ernstfall in eine Falle zu tappen.

Ausgehend von der abgebildeten Stellung wäre es z. B. ein fataler Fehler, mit dem König auf die dritte Reihe zu gehen (außer g3). Dann kann der schwarze Turm mit Schachgebot abziehen.
Lehrbeispiel 1

Eine weitere Falle basiert auf einem "Umgehungstrick". In unserem Beispiel schränkt dieses Motiv die weißen Möglichkeiten sehr ein. Der König kann nicht über die 2. Reihe laufen und auch der g-Bauer darf sich im Moment nicht bewegen.
Lehrbeispiel 2

Manchmal kann man den vorgerückten Bauern geben und bekommt durch den Tempozug des Turmes genügend andere Vorteile.
Lehrbeispiel 3

Wenn schließlich der Verteidiger seinen Turm nicht hinter den Bauern stellt, sondern diesen seitlich angreift, hilft oft ein ganz einfaches Turmopfer mit Schachgebot.
Lehrbeispiel 4

All diese Motive muss man also kennen. Der Angreifer kann sie meist nicht erzwingen, sondern nur hoffen, dass seine Falle zuschnappt.




  Nachschlag

Erneut wollen wir auf einige früher besprochene Themen zurückkommen. In den Trainingseinheiten 32 und 42 haben wir Partien gesehen, in denen ein Springer überraschend eingefangen wurde bzw. von einem Läufer klar dominiert wurde. Ein lehrreiches Beispiel dieser Art hätte sich in der Berliner Einzelmeisterschaft U16 ergeben können. Entschuldigend für die ausgelassene Chance sei gesagt, dass die Spieler hier bereits mehr als 5 Stunden am Brett saßen.
Fataliyeva – Pugliese (Variante), Berlin 2008

Bleiben wir noch beim Duell der Leichtfiguren. Aus Trainingseinheit Nr. 29 wissen wir, dass die Dominanz eines starken Läufers gegen einen schwachen Läufer entscheidend sein kann. In einem aktuellen Turnier konnte der Spieler mit den weißen Steinen dies gegen seinen hochdotierten Gegner schön ausnutzen. Sehenswert ist auch, wie er die Konstellation mit einem Scheinopfer herbeiführt.
Bracker – Parligras, Hamburg 2008

In Ausgabe 36 führten wir den bildhaften Begriff der Turm-Läufer-Peitsche ein. Schöne Partien zu diesem Thema finden sich wie Sand am Meer, doch das folgende Beispiel kann einfach nicht übergangen werden.
Mit einem ruhigen Zug leitet Weiß die Gewinnkombination ein. Neben dem Matt droht ein überraschender Damenfang. Nach dessen Abwehr opfert Meister Mileika die Dame auf einem Feld, von wo sie 3 verschiedene Mattbilder droht. Nebenher werden noch Springer und Turm geopfert – dabei dem Gegner sogar ein Schach zugelassen. Es verbleiben nur Turm und Läufer, doch diese genügen, um die Mattpeitsche zu schwingen. – Bitte zurücklehnen und genießen.
Mileika – Seledkin, Sowjetunion 1971

Wo wir gerade beim Begriff des "ruhigen Zuges" waren: Dieser wurde in einer früheren Trainingseinheit bereits eingeführt. Ein schönes Beispiel gelang einem unserer Herderschach-Talente nun in der Berliner Meisterschaft U12:
Donath – Ringleb, Berlin 2008

Und nun wieder mal eine Zwickmühle: In ihrer Einfachheit und Klarheit ist diese Kombination des jungen Schweizer Meisters Severin Papa beeindruckend lehrreich.
Papa – Kaenel, Schweiz 2008




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Thomas Binder, 2008