Eröffnung Intensiv
Das Skandinavische Gambit

Blicken wir zunächst auf die Hauptvarianten des Skandinavischen Gambits.
Nach den Zügen 1.e4 d5 2.e:d5 Sf6 ist die Grundstellung erreicht.
Grundstellung
Jetzt muss sich Weiß entscheiden, ob er den Bauern verteidigen oder sofort zurückgeben will.
Zur Verteidigung kommt nur der Zug 3.c4 in Frage. Die interessanteste Variante mit Rückgabe des Bauern ist durch den Zug 3.d4 gekennzeichnet. Darüber hinaus hat noch 3.Lb5+ eigenständige Bedeutung. Andere Züge sind anspruchslos.
Zur Variante mit 3.Lb5+

Wenn sich Weiß zur Verteidigung des Bauern mit 3.c4 entscheidet, muss Schwarz bereit sein, ein echtes Gambit zu spielen. Wir sehen dann eine typische Gambitpartie, in der man für den geopferten Bauern (hoffentlich) Entwicklungsvorsprung und guten Angriff bekommt. Eine sehr typische Variante (aus einer Großmeisterpartie) soll dies zeigen.
Gambitfortsetzung 3.c4 c6 4.d:c6 S:c6
Es sei nicht verschwiegen, dass Weiß im 4. Zug eben nicht auf c6 schlagen muss. Er kann auch mit 4.d4 in den sogenannten Panow-Angriff aus der Caro-Kann-Verteidigung übergehen, den man normalerweise über die Züge 1.e4 c6 2.d4 d5 3.e:d5 c:d5 4.c4 erreicht. Das ist gewissermaßen der schwache Punkt im schwarzen Aufbau.
Nicht, dass diese Stellung für Weiß klar vorteilhaft sei – aber man landet eben in einer Eröffnung, zu der man eigentlich gar nicht wollte.

Nun zur Hauptvariante des Skandinavischen Gambits, die man nach 1.e4 d5 2.e:d5 Sf6 3.d4 S:d5 4.c4 erreicht.
Weiß gibt den Bauern sofort zurück und greift den Springer erneut an. Schwarz muss diesen Springer im 4. Zug schon zum dritten Mal ziehen. Das widerspricht natürlich dem Grundsatz, eine Figur in der Eröffnung nicht mehrmals zu ziehen.
Dem Springer stehen 3 plausible Fluchtfelder zur Verfügung: f6, b6 und b4. Die häufigste Variante ist dabei überraschend Sb6.
Hauptvariante

Kommen wir nun zu den Varianten nach 4. … Sb4. In der Literatur wird die nach diesem Zug entstehenden verwicklungsreiche Variante zuweilen als Kieler Variante bzw. Kieler Gambit bezeichnet. Objektiv ist dieser Zug nicht zu empfehlen. Durch richtiges Spiel erlangt Weiß schnell spürbaren Vorteil.
Hauptvariante zu 4. … Sb4
Weiß hat mindestens Entwicklungsvorteil. Aber wenn Schwarz bereit ist, ein gewisses Risiko einzugehen und sich in halsbrecherische Verwicklungen zu stürzen, ist die Kieler Variante immer einen Versuch wert.

Wir werden jetzt sehen, was dem Weißen droht, wenn er es versäumt, den Springer zu vertreiben.
Zunächst eine "Nebenfalle"

Nun zu den eigentlichen Fallen. Sie kommen dann aufs Brett, wenn Weiß erkennt, dass er mit dem Schachgebot Da4+ den Springer angreifen kann und nach einem Zwischenziehen eines der beiden Springer mit d4-d5 die gefesselte Figur angreifen kann. Wir werden aber erkennen, dass diese Idee nicht funktioniert.
Grundmodell des Figurengewinns

Nach b7-b5 kann Weiß diesen Bauern auf 2 verschiedene Arten nehmen. Sehen wir uns die möglichen Folgen beider Züge an. Zuvor sei erwähnt, dass Weiß natürlich noch Gelegenheit zur Umkehr hat. Ich gehe darauf kurz im ersten der folgenden Beispiele ein. Ausserdem werden wir ganz nebenbei eine fundamentale Lücke in einem Standardwerk zu Eröffnungsfallen aufdecken.
Weiß schlägt mit c4xb5
Fazit:Wie man sieht ist dies die für Weiß einzig akzeptable Variante. Er muss aber sehr genau spielen, um alle Klippen zu umschiffen. Einem unvorbereiteten Spieler wird das kaum gelingen.
Weiß schlägt mit Da4xb5
Fazit:Dies wird öfter gespielt als c4xb5. Jedoch sind hier die Chancen von Schwarz deutlich besser. Mit Kenntnis der typischen Angriffsideen wird er immer gewinnen.

Wir haben gesehen, dass Schwarz sich wegen der Bedrohung des Springers c6 keine Sorgen machen muss. Nun kann aber Weiß versuchen, diese Bedrohung mit der Vertreibung des Springers von b4 durch a2-a3 zu verbinden. Sehen wir, wie ihm dies bekommt:
Angriff auf beide Springer
Fazit:Auch diese Idee scheitert – und zwar auf äußerst unterhaltsame Weise.
Mit dieser Variante gewann ich 1993 eine meiner wichtigsten und interessantesten Turnierpartien. Der Sieg gegen einen hochkarätigen und sympathischen Spieler brachte mich damals immerhin an ein (bescheidenes) Preisgeld bei einem der renommiertesten deutschen Open-Turniere.
Baier – Binder, Travemünde 1993




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Thomas Binder, 2003/2004