Eröffnung Intensiv
Das Morra-Gambit

Wer als Weißer mit e2-e4 eröffnet, muß natürlich auf den Zug c7-c5, also die Sizilianische Eröffnung, gefasst sein. Im modernen Spitzenschach ist dies sogar die häufigste Erwiderung.
Das Problem liegt nun darin, dass Schwarz in der Folge eine große Auswahl an sehr verschiedenen Aufstellungen hat, die jeweils eine genaue Antwort von Weiß erfordern.
Wer sich damit nicht intensiv beschäftigen will, kann versuchen, den Nachziehenden früh in andere Gefilde zu zwingen. Eine chancenreiche Idee dazu bietet das Morra-Gambit 1. e4 c5 2. d4 cxd4 3. c3 dxc3 4.Sxc3.

Ich spiele dieses Gambit ausschließlich und habe insgesamt sehr gute Erfahrungen damit gemacht.
Nimmt Schwarz das Gambit an, gibt es für Weiß einen Standardaufbau, der fast gegen jede schwarze Aufstellung spielbar ist:
Nach den einleitenden Zügen spielt man Sf3, Lc4, 0-0, De2, Tfd1, Lg5(oder Lf4) und Tac1. Manchmal (vor allem, wenn Schwarz auf c3 tauscht) geht der Damenläufer auch nach a3.
Nur in wenigen Varianten muß man von diesem Modell abweichen.

Ich möchte zunächst die grundlegenden Ideen für Weiß mittels einiger eigener Partien verdeutlichen. Dabei sei nicht verheimlicht, dass ich mich hier auf Partien beschränke, in denen es mir gut gelang, diese Ideen umzusetzen. Das ist leider nicht immer der Fall.
Binder – Kreher, 1988
Binder – Schönfeld, 1992
Binder – Lange, 1994
Binder – Mick, 1994
Binder – Müller, 1999
Binder – Springer, 2001
Binder – Schmidt, 2001
Binder – Hahlbohm, 2002
Zum Schluß dieses Abschnitts, eine typische Variante, auf welche unbedarfte Schwarzspieler sehr oft hereinfallen:
Schneller Vorteil für Weiß

Diese Partien sollten einen Eindruck von typischen Aufstellungen und Drohungen des Weißen vermitteln.
Neben der besseren Entwicklung hat Weiß vor allem Möglichkeiten, gegen die Bauernschwäche d6 und über die offenen Linien zu spielen. Der Vorstoß e4-e5 ist oft entscheidend. Wenn die schwarze Dame auf c7 steht, kommt das Motiv Sd5 hinzu und oft ist auch ein Eindringen der Leichtfiguren am Damenflügel (Lb6) möglich. Andere Partien entscheiden sich durch eine Turmverdoppelung in der d-Linie oder einen Turm auf der 7.Reihe. Schließlich ist der schwarze Königsflügel manchmal nur ungenügend verteidigt.
Obwohl es kein allgemeingültiges Angriffsmuster gibt, ist es in der Regel so, dass Weiß oft über eine längere Zeit trotz Minusbauern das bessere Spiel hat. Unter der Vielzahl der Angriffe wird Schwarz früher oder später einen Fehler machen und schnell verlieren.
Die Praxis zeigt, dass unter ansonsten gleichstarken Spielern im angenommenen Morra-Gambit der Weiße 5 Punkte aus 7 Partien holt.
Aber dieser Punkt muß natürlich in jeder Partie neu verdient werden. Gelingt es Schwarz, alle Drohungen abzuwehren und den Mehrbauern zu verteidigen, wird er schließlich gewinnen. Solche Partien sind dann für den Gambitspieler ernüchternde Erfahrungen. Ein typisches (abschreckendes) Beispiel soll das verdeutlichen:
Binder – Fritzsch, 2002

Zum Schluß der Ausführungen zum angenommenen Morra-Gambit möchte ich auf 2 Varianten verweisen, in denen Weiß seine Standard-Pläne nicht umsetzen kann.
Die sibirische Variante
Die Chicago-Variante

Nun noch kurz zum abgelehnten Morra-Gambit.
Daß man vor einer Ablehnung keine übertriebene Angst haben muß, zeigen z. B. meine Gewinnpartie gegen Patrick Ewald, die im 11.Trainingsmaterial zu sehen war und die Stellung aus der Taktikaufgabe im 1.Training. Auch diese hatte sich aus einem abgelehnten Morra-Gambit entwickelt.
Die wichtigste Ablehnung ergibt sich aus dem Zug 3. … d3.
Ablehnung mit d4-d3
weitere Ablehnungen


Über das Morra-Gambit sind viele Bücher geschrieben worden. Die wichtigsten stammen von Jozsef Palkövi und von Hannes Langrock.




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Thomas Binder, 2003 / 2007