Endspiel – Intensiv
Der entfernte Freibauer

Wir beginnen heute damit, uns wichtige Gesichtspunkte in komplizierteren Bauernendspielen zu vergegenwärtigen.
Im ersten Beispiel lernen wir

Entfernte Freibauern

kennen.

Da fragen wir uns also zunächst: Was ist das eigentlich, ein entfernter Freibauer?
Was ein Freibauer ist, wissen wir bereits – ein Bauer, dem kein gegnerischer Bauer auf der gleichen oder einer benachbarten Linie mehr entgegen steht. Er droht also unaufhaltsam zur Umwandlung zu schreiten.
Vom "entfernten" Freibauern sprechen wir immer dann, wenn ein Spieler einen solchen Freibauern fernab des übrigen Geschehens besitzt. In einem reinen Bauernendspiel ist das oft ein gewinnbringender Vorteil. Der gegnerische König muss den Freibauern stoppen. Das nutzt dessen Besitzer dann aus, um am anderen Schauplatz entscheidend Beute zu machen.

Sehen wir uns zunächst zwei einfache Lehrbeispiele an.
Lehrbeispiel zum entfernten Freibauern (nach Awerbach)
Das war ja ganz einfach – aber das Grundprinzip haben wir damit schon kennen gelernt:
Der Angreifer opfert im richtigen Moment seinen entfernten Freibauern. Der Verteidiger muss ihn früher oder später schlagen. Damit ist sein König aber so weit vom anderen Flügel abgelenkt, dass dort die eigenen Bauern verloren gehen und der Gegner mühelos gewinnt.

Auch das nächste Beispiel ist nicht besonders kompliziert, wohl aber wichtig für das Verständnis unseres Themas.
Lehrbeispiel zum entfernten Freibauern (nach Kostjew)
In diesem Beispiel konnte sich Schwarz noch anders verteidigen. Doch auch dann geht seine Partie schnell verloren.
Variante zum vorigen Beispiel

Daher ist es nun interessanter, in die Stellung einzusteigen, wenn noch gar kein entfernter Freibauer auf dem Brett ist. Wem es gelingt, einen solchen zu bilden, der wird in entscheidenden Vorteil gelangen.
Faibissowitsch – Gutman, Sowjetunion 1972

Eine interessante, weitsichtige Entscheidung traf Großmeister Reshewsky (1911 – 1992) bei seiner Partie gegen Großmeister Larry Evans. Sie war sehr bedeutsam, wurde sie doch in der letzten Runde der USA-Meisterschaft 1969 gespielt. Mit diesem Erfolg sicherte sich Reshewsky den Titelgewinn.
Statt für ein Turmendspiel mit einem Mehrbauern entschied er sich für ein Endspiel mit gleicher Bauernzahl, aber einem entfernten Freibauern. Zu diesem Entschluss in einer so wichtigen Partie braucht es ein hohes Maß an Selbstvertrauen und Wissen um die richtige Bewertung der Stellung.
Evans – Reschewsky, New York 1969

Zum Thema des entfernten Freibauern erinnere ich außerdem an die interessante Partie Strate – Arndt aus der 18. Trainingseinheit.




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Thomas Binder, 2004