Endspiel – Intensiv
Endspiele mit ungleichfarbigen Läufern – 2. Teil

Wir wissen bereits, dass es sehr schwierig ist ein Endspiel mit ungleichen Läufern zu gewinnen. Auch mit 1-2 Minusbauern ist es oft noch möglich, Remis zu erreichen. Dafür muss man aber sehr genau spielen und die typischen Verfahren der Verteidigung kennen. Der Gegner kann mit seinen Mehrbauern einiges versuchen, doch noch den vollen Punkt einzufahren.

Zunächst sehen wir einige Endspiele, in denen sich ein einzelner Läufer gegen Läufer und 2 Bauern verteidigen muss.
Während in praktisch jedem anderen Endspiel der Besitz verbundener Freibauern ein entscheidender Vorteil ist, stellt er gerade in diesem Stellungstyp sogar ein Handicap dar.
Lehrbeispiel 1
Die Lehre dieser Partie ist klar: Der Verteidiger muss seinen Läufer so aufstellen, dass er einen Bauern angreift und das Vorziehen des anderen verhindert. Um diese Situation aufrecht zu erhalten, benötigt er Platz für Abwartezüge.
In unserem Beispiel war der Bauer f5 angegriffen und das Vorziehen des e-Bauern verhindert (wegen der Möglichkeit, dann den Läufer gegen beide Bauern zu opfern). Die Wartezüge auf den Feldern c8 und d7 genügten dazu völlig aus.
Anders ist die Situation, wenn nicht genug Platz für diese Abwartezüge bleibt:
Lehrbeispiel 2

Im nächsten Beispiel fällt es dem Verteidiger wesentlich schwerer, seinen Läufer ideal aufzustellen. Doch auch hier kann er sich mit genauem und aufmerksamem Spiel behaupten.
Sehen wir zunächst die Ausgangsstellung und einige Gewinnversuche für Weiß:
Lehrbeispiel 3a
Doch die Möglichkeiten von Weiß in dieser Stellung sind noch nicht ausgeschöpft:
Lehrbeispiel 3b

Nun zu Stellungen mit weiter voneinander entfernten Freibauern. Im Gegensatz zu anderen Endspieltypen sind diese beim Spiel mit ungleichen Läufern sogar von Vorteil.
Bei der Ausbildung von Kindern verwendet man hierfür die Faustregel: Wenn du die Bauern mit den ausgestreckten Fingern einer Hand erreichen kannst, ist die Stellung remis. Stehen sie weiter entfernt, gewinnt der Spieler mit den Mehrbauern. Zugegeben: Die Regel ist wohl nur bei sehr jungen Schülern anwendbar ;-)
Wichtig für das Verständnis ist der folgende Partieschluss:
Berger – Kotlerman, Sowjetunion 1948
Schwieriger und oft sogar unlösbar wird die Verteidigung bei noch größerem Abstand der Freibauern:
Lehrbeispiel 4
Hier haben wir ein weiteres wichtiges Prinzip erkannt: Es muss unbedingt vermieden werden, dass der eigene Läufer überlastet wird. Er muss versuchen, seine Aufgaben von einer einzigen Diagonale aus zu bewältigen.

Zum Schluss des theoretischen Abschnitts sehen wir eine Lehrbuchstellung von Mark Dworetzki, mit der er uns weitere Prinzipien verdeutlicht.
Lehrbeispiel 5

Fassen wir nun – basierend auf Dworetzkis Arbeit – zusammen, was man über Endspiele mit ungleichen Läufern wissen sollte.


Mit diesem Wissen ausgerüstet wagen wir uns nun an die Analyse einiger Meisterpartien.

Im ersten Beispiel sehen wir den Internationalen Meister Reinhart Fuchs im Spiel gegen den russischen Großmeister Cholmow (1925 – 2006). Er versäumt es, rechtzeitig eine passive Verteidigung einzunehmen. Dies hätte (evtl. sogar mit einem Bauernopfer) zum Remis genügt. Nach der Partiefolge wird sein Läufer lehrbuchmäßig überlastet und die Partie geht verloren.
Fuchs – Cholmow, Dresden 1956
In der zweiten Partie gewinnt der aus der Ukraine stammende deutsche Großmeister Jefim Bogoljubow (1899 – 1925) gegen Eduard Lasker (1885 – 1981), einen entfernten Verwandten von Weltmeister Emanuel Lasker. Wir werden aber auch hier sehen, wie sich Lasker hätte erfolgreich verteidigen können.
Bogoljubow – Lasker, New York 1924
In der dritten Meisterpartie sehen wir zunächst 2 erfolglose Versuche, eine schwierige Stellung zu verteidigen. Doch auch hier gab es die Möglichkeit, sich ein Remis zu verdienen:
Wachidow – Timoschenko, Sowjetunion 1982 – Partieverlauf
Wachidow – Timoschenko, Sowjetunion 1982 – 1. Variante
Zweimal hat sich Weiß hartnäckig verteidigt, verlor jedoch in beiden Fällen weil sein Läufer schließlich überlastet wurde. Aber es gibt noch eine dritte Verteidigungsidee.
Wachidow – Timoschenko, Sowjetunion 1982 – 2. Variante




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Thomas Binder, 2005