Endspiel – Intensiv
Turm gegen Läufer ohne Bauern

Das Endspiel mit Turm gegen Läufer ohne jeden Bauern wird gewöhnlich als einfaches Remis abgetan. Die große Chessbase-Datenbank listet ca. 600 Partien mit dieser Materialkonstellation auf. Fast 75% davon endeten tatsächlich unentschieden. Aber in jeder vierten Partie gelang es der Turmseite noch, einen vollen Punkt zu verdienen. Da lohnt es doch, die Feinheiten zu kennen, damit man nicht unnötig verliert oder aber eine gute Chance auslässt.

Wir wollen zunächst einige Grundmotive betrachten, ehe wir tiefer in die Theorie des Endspiels eindringen.


Nun wollen wir uns etwas genauer mit diesem Endspiel beschäftigen und sehen, wie es zu diesen mehr oder weniger regelmäßig anzutreffenden Wendungen kommen kann. Der englische Großmeister John Nunn hat alle "bauernlosen" Endspiele systematisch untersucht und eine Reihe wichtiger Gesetzmäßigkeiten herausgefunden.

Der König der Läuferpartei steht im Zentrum

Wir haben bereits gesehen, dass die meisten Motive zum Läufergewinn vor allem dann funktionieren, wenn der König am Rand festgehalten wird. Doch auch mit einem zentral postierten König muss man aufmerksam spielen, um nicht in eine Falle zu geraten, die den Läufer kostet. Sehr selten gibt es für den Spieler mit dem Turm eine zwingende Chance zum Gewinn. Besonders reizvoll ist das folgende Beispiel.
Studie von Herlin, London 1861

Der König steht in der Ecke

Für das Verständnis dieser Endspiele muss man wissen, dass es für den König eine sichere und eine unsichere Ecke gibt. Als sichere Ecke bezeichnen wir jene Ecke, die der eigene Läufer nicht beherrscht. Dann können nämlich König und Läufer direkt nebeneinander stehen und eine uneinnehmbare Festung bilden.

Der König steht in der richtigen Ecke

Zwei Beispiele sollen verdeutlichen, wie sich König und Läufer in der "richtigen" Ecke verteidigen.
Lehrstellung zur richtigen Ecke
Lehrstellung zur richtigen Ecke

Der Verteidiger hält also Remis, wenn es ihm gelingt, in die "richtige" Ecke zu kommen und den Läufer auf die verteidigende Diagonale zu bringen. Nur wenn dies wegen einer ungünstigen Aufstellung des Läufers nicht gelingt, hat der Gegner Siegchancen.

Der König steht in der falschen Ecke

Nun kommen wir zu Stellungen mit dem König in der "falschen Ecke". Dort kann ihn der Läufer nicht gegen Schachgebote schützen. So sind die Chancen auf einen Sieg wesentlich größer – auch wenn selbst dieses Endspiel meist remis ausgeht.
Entscheidend für das Verständnis ist die folgende – letztlich trivial gewonnene – Stellung.
Lehrstellung zur falschen Ecke
Die Aufgabe des Verteidigers ist sehr schwierig, aber oft kann er erfolgreich um Remis kämpfen.
Khuzman – Shmuter, Ukraine 1990

Der König steht am Brettrand

Steht der verteidigende König auf einer Randlinie, jedoch nicht in der (falschen) Ecke, so sind seine Remischancen noch recht gut. Der Angreifer kann nun entweder versuchen, ihn in die ungünstige Ecke zu drängen oder direkt auf Jagd nach dem Läufer zu gehen. Für die zweite Idee wollen wir uns noch ein Beispiel anschauen.
Studie von Missiaen


Auch wenn wir uns hier auf die Gewinnversuche der Turmpartei konzentriert haben, so bleibt es dabei, dass das Endspiel mit Turm gegen Läufer ohne Bauern in den allermeisten Fällen remis enden sollte. Es kam uns darauf an, die Gefahren zu erkennen, die einem sorglosen Verteidiger drohen können.




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Thomas Binder, 2006