In den Zeiten der Corona-Pandemie hat sich viel schachliche Aktivität ins Internet verlagert. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dort
ein anderes Schach gespielt wird, als im "richtigen Leben". Neben den kurzen Bedenkzeiten und den rein handwerklichen Besonderheiten des Online-Schachs
begegnet man dort auch Spezialisten für bestimmte Eröffnungen, die im klassischen Turnierschach kaum zu sehen sind.
Zu diesen Spezialeröffnungen gehört das Stafford-Gambit.
Es entsteht, wenn Schwarz in der Russischen Verteidigung nach den normalen Zügen 1.e2-e4 e7e5 2.Sg1-f3 Sg8-f6 3.Sf3xe5 den auf den ersten Blick
merkwürdigen Zug 3… Sb8-c6 spielt.
Das Stafford-Gambit gilt unter seriösen Schachspielern als "nicht zu empfehlen". Warum soll man sich dann damit beschäftigen?
Die gesamten Chancen von Schwarz beruhen auf einer Handvoll typischer Fallen. Wenn Weiß mit scheinbar normalen Eröffnungszügen in eine dieser Fallen stolpert,
ist die Partie sehr schnell zu Gunsten des Fallenstellers entschieden.
Man kommt nicht umhin, diese typischen Motive zu kennen. Deshalb schauen wir uns zunächst einige unterhaltsame Partien an, mit denen das bekannte
Fallenspektrum abgedeckt wird. Danach wollen wir uns mit empfehlenswerten Vorbeugungszügen beschäftigen.
Seinen Namen verdankt das Gambit einem Spieler, der es 1950 erstmals anwandte. Mit dieser Premierenpartie sehen wir auch gleich die erste Falle, die es zu kennen gilt.
Lowens – Stafford, Fernpartie 1950
Ein Motiv aus dieser Partie wiederholt sich in der nachfolgenden, für die es unzählige Beispiele gibt. Zudem erinnert die Gewinnführung an das altbekannte Seekadettenmatt.
Vanderhallen – Skjoldan, Österreich 1998
Selbst wenn Weiß es schafft, seinen König mit der Rochade in Sicherheit zu bringen, kann sich diese Sicherheit als trügerisch erweisen.
Liu – Sairam, 2020
Zu den Protagonisten dieser Eröffnung gehört der amerikanische IM Eric Rosen. Selbst bei etwas besserer Verteidigung von Weiß findet er immer wieder spannende
Ideen zur Verstärkung des schwarzen Angriffs – auch wenn es sich meist um Internet-Blitzpartien handelt.
NN – Eric Rosen
NN – Eric Rosen
Wir haben jetzt ein Gefühl dafür gewonnen, welche Gefahren dem Weißen bei schematischem Spiel im Stafford-Gambit drohen. Doch man ist diesen nicht hilflos ausgeliefert. Sehen wir uns einige Ideen an, wie man mit genauen Zügen alle Klippen umschifft.
In der Stammpartie verlor Weiß drastisch, nachdem er 5.e4-e5 gespielt hatte. Bei genauerem Hinsehen erkennen wir aber, dass der Fehler erst
im nächsten Zug lag.
Aufbau mit 5.e4-e5
Gegen die oben gezeigten Angriffsideen von Eric Rosen muss man sehr entschlossen vorgehen und darf sich keine der (hoffentlich) bekannten Schwächen leisten.
Der deutsche IM und herausragende Schachtrainer Souleidis ("The big greek") hat eine bekannte Gegenstrategie pointiert ausgearbeitet und in einem Video vorgestellt.
Die Idee beruht darauf, das Zentrum mit den weißen Bauern zu besetzen und den Angriff damit zurückzuschlagen.
Solide Bauern im Zentrum
Schließlich kann man sich auch mit Sb1-c3 im fünften Zug erfolgreich verteidigen. Der Zug deckt den Bauern e4 und entwickelt eine Figur.
In der Folge kann Schwarz seine typischen Angriffsideen nicht umsetzen.
Mögliche Fortsetzungen nach 5.Sb1-c3
Die Mega-Database kennt gut 200 Partien mit dem Stafford-Gambit. Dabei bleibt ihr wohl die große Fülle des Materials aus Blitzturnieren und Online-Partien verborgen.
Schaut man hier nur auf die Kurzpartien (bis 20 Züge), so ist das Übergewicht von Schwarz beeindruckend: Fast zwei Drittel der möglichen Punkte hat der Nachziehende geholt.
Wenn also Weiß unvorbereitet in die Falle tappt, ist die Partie schnell entschieden.
Übersteht Weiß hingegen die Eröffnungsphase schadlos, zeigt sich ein ganz anderes Bild. In diesen Partien (über 30 Züge) hat Weiß mit 60% der Punkte die normale Erwartung
noch übertroffen.
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