Unser Team in der Königsklasse 2022

Bild Platz 7 bei einer Deutschen Meisterschaft – wer die Historie unserer Erfolge kennt, könnte dies als Massenware abtun oder sogar etwas enttäuscht sein. Die zwei Sterne auf unserem neuen Trikot sind schließlich kein Zufall.
Doch die erste DSSM nach der quälend langen Corona-Pause reiht sich nahtlos in unsere Erfolgsgeschichte ein.
Sehr kurzfristig musste ein Team formiert werden. Widrigkeiten wie Abitur-Prüfungen und Klassenfahrten dezimierten den Kader erheblich. Doch unser riesengroßes Reservoir konkurrenzfähiger Spieler ermöglichte noch immer eine spielstarke Mannschaft.

Schaut man genauer auf die Ergebnisse, so wird man den Eindruck nicht los, dass diese Platzierung auch etwas unglücklich zustande kommt. Das zeigen vor allem jene Details, die man erst auf den zweiten Blick sieht:

Letztlich fehlt nur ein Mannschaftspunkt – genau genommen ein passender halber Brettpunkt – zu einem Medaillenplatz, gar zum Vizetitel.
Man kann es nicht passender ausdrücken als Team-Betreuer Aram Azarvash, der etwa sagte: "Alle haben großartig gespielt, wir haben einfach die Punkte etwas unglücklich verteilt." Statt der 3 Unentschieden hätte man mit weniger Brettpunkten auch einen Mannschaftspunkt mehr holen können…

In den vier Turniertagen hat sich ein starkes Team zusammengerauft. Zusammenhalt und Einsatzbereitschaft waren von der Eröffnung bis zum gemeinsamen Aufräumen am Sonntag vorbildlich. Herr Steinkrauß, Frau Maeß und Aram (allen Dreien danke für den Einsatz, weit über das Normale hinaus) konnten sich meist auf die Rolle der genießenden Anteilnahme beschränken.

Bild Acht starke Spieler gemeinsam erfolgreich

Acht Spieler – genau genommen fünf Spieler und drei Spielerinnen – aus fünf Berliner Vereinen bildeten am verlängerten Wochenende in der Jugendherberge am Ostkreuz unser Team. Zahlenmäßig am stärksten war diesmal unser Partnerverein aus Siemensstadt vertreten.
Wenn ich oben auf unser großes Spielerreservoir verwiesen habe, dann schwingt dabei die sichere Erwartung mit, dass sich mindestens ein Spieler im entscheidenden Moment enorm steigert. Das gelang bei der diesjährigen DSSM gleich zwei Spielern.

Coco erreichte am Spitzenbrett ein starkes 50%-Ergebnis. Die hohe Remisquote ist völlig in Ordnung, das Neutralisieren des gegnerischen Top-Spielers ist ein bewährtes strategisches Element im Mannschaftsschach. Fünf ihrer sieben Gegner lagen im DWZ-Bereich über 1900! Auffällig war, dass sie ihre Partien (fast) immer unter Kontrolle hatte. Es tut ihr gut, dass sie jede Gelegenheit nutzt, sich auch gegen deutlich stärkere Konkurrenz zum Wettkampf zu stellen. Zuletzt spielte Coco sogar in der Meisterklasse der Berliner Einzelmeisterschaft (der Erwachsenen). Dort gewonnene Turnierhärte zahlte sich hier aus.

Neben Coco spielte nur Joachim alle 7 Runden durch. Lange hielt auch er Kurs auf eine mindestens ausgeglichene Bilanz. An den beiden letzten Tagen ging ihm leider etwas die Kraft aus, doch zuvor hatte er dem Team wertvolle Punkte gesichert. Zum Durchbruch fehlt einfach ein wenig Kondition.

Bild Unser statistischer Überflieger ist Kai. 5½ Punkte aus 6 Partien bei einem DWZ-Schnitt über 1550 sind ein phantastisches Ergebnis. Verdienter Lohn ist Platz 2 in der Brettwertung (siehe Foto von der Einzel-Siegerehrung). Zitieren wir einfach Aram: "Kai spielte, wie Kai immer spielt – also mit gewohnt großer Menge an Konstanz und Spielstärke und dem kleinen bisschen Glück, das man braucht, dazu."

Daria erwischte einen sehr guten ersten Tag. Danach führten leider kleine Unachtsamkeiten zu Verlustpartien. Mit etwas mehr Spielpraxis findet sie sicher schnell zu Normalform zurück.

Zweiter Spieler mit der erhofften Steigerung war Grigorii. Viel sicherer als zuletzt bei verschiedenen Turnieren sammelte er in sechs Runden vier Gewinnpartien. Ich habe schon viele junge Schachspieler begleitet und mir ein Gespür dafür erworben, gewissermaßen seismographisch eine bevorstehende Leistungsexplosion zu erahnen. Ich würde sagen, hier brodelt es im Vulkan…

Thore und Sophie schrieben am Donnerstag noch Klausuren und stiegen erst danach in die Meisterschaft ein. Sie stellten sich perfekt in den Dienst des Teams und kommen auf je zwei Siege in drei Partien – unverzichtbare Punkte für den Mannschaftserfolg. Wie perfekt das Team harmonierte, zeigt Sophies Bereitschaft, am Sonntag auf den geplanten Einsatz zu verzichten und als Ersatzspielerin vor Ort zu sein, weil eben Grigorii einfach einen Lauf hatte. Thores einzige Verlustpartie war mal wieder dem altbekannten Zeitnotgespenst geschuldet.

Kaum zu glauben, aber wahr: Juri hat an diesem Wochenende zum ersten Mal in einer Schach-Mannschaft gespielt – das dafür gleich doppelt. Zunächst wurde er der 200. Team-Spieler der Herderschach-Geschichte – wohl der einzige, der bislang nur bei DSSM gespielt hat und nicht auf Berliner Ebene. Am Sonntag folgte dann sein erfolgreiches Debüt in der Siemensstädter Vereinsmannschaft. Ehrensache, dass er nach getaner Arbeit von dort noch zum DSSM-Abschluss zu seinem Team zurückkehrte. Zwei Siege am ersten Tag waren ein Mega-Einstand, die folgenden Niederlagen dann noch mangelnder Erfahrung bei nur gut einem halben Jahr Wettkampfschach geschuldet.


Bericht: Thomas Binder; Fotos: Thilo Steinkrauß, Aram Azarvash und Antje Maeß