Winter-Open 2023 (DWZ-Turnier – 2 Tage)

Jahreszeiten-Opens sind Herderschach-Festtage. Wir fahren sozusagen zu jeder Jahreszeit die Ernte ein, die wir mit kontinuierlicher und zielstrebiger Arbeit für eine breite Schar von AG-Teilnehmern gesät haben.
Wir stehen jetzt in dieser Turnierserie bei 17 Gesamtsiegen und weiteren neun Erfolgen in Altersklassen oder sonstigen Wertungen. Die Zählung der Silber- und Bronzepokale hole ich beim nächsten Mal nach.

Das Winteropen wurde durch die verlängerte Bedenkzeit und die Möglichkeit einer DWZ-Auswertung erheblich aufgewertet. Leider musste man dafür eine Kürzung auf fünf Runden akzeptieren. Zudem wurde genau ein Drittel des recht großen Starterfeldes von unserer Schach-AG gestellt. Nimmt man noch die beiden von uns in einer Flüchtlingsunterkunft betreuten Jungen aus Afghanistan hinzu, liegen wir sogar über dieser Marke. Dass dies zu sehr vielen "internen" Duellen führte, war nicht zu vermeiden, ist aber dennoch ärgerlich.

Auf und Ab an den beiden Turniertagen

Als wir am Abend des ersten Tages auf die Tabelle blickten, war klar, dass Mariia und Ziyi beste Aussichten auf einen der begehrten Pokale haben. Maksim lag knapp hinter der Spitzengruppe in Lauerstellung. Lio, Felix, Robert und Zhenja rechneten sich noch gute Chancen aus.
Doch auch aus anderen Schulen und Vereinen waren spielstarke Teilnehmer am Start. An den vorderen Brettern wurde sehr ansehnliches Schach geboten, vor allem wenn man in Rechnung stellt, dass dieser Wettkampf ja nach BJEM-Endrunden und Jugend-Winter-Open sozusagen die "dritte Liga" des Berliner Nachwuchsschachs darstellte.

Am zweiten Turniertag reiften nicht alle unsere Träume. Die Spieler der Verfolgergruppe konnten nicht mehr in den Kampf an der Spitze eingreifen, kassierten mehrheitlich sogar ärgerliche Doppel-Nullen. Umgekehrt rafften sich einige Spieler, die am Samstag schon zu viel Boden verloren hatten, noch einmal zu einer Steigerung auf. Immerhin gewannen Peter, Datha, Zishuo und Daniel am Sonntag beide Partien.

Bild Herderschach-Finale und Doppel-Gold

Für das Highlight aus unserer Sicht sorgten natürlich Mariia und Ziyi. Beide hatten bis zur Schlussrunde eine makellose Bilanz, dabei allerdings fünf ihrer acht Gewinnpartien gegen Spieler aus der eigenen Schule errungen. So konnten wir wieder einmal frohlocken, dass der Turniersieg für das Haus Herderschach schon vor der letzten Runde feststand.
Die Finalpartie war dann ein würdiger Schlusspunkt unter dieses Turnier. Natürlich dauerte sie unter allen Partien der Schlussrunde am längsten – nur Dongkeon und sein Gegner hielten im Nachbarraum ähnlich lange durch.
Bild Mariia kam wohl etwas besser aus der Eröffnung. Sie brachte einen Bauern bis nach b7, der dort aber nicht zu behaupten war. Zeitweise hatte sie zwei Mehrbauern, vernachlässigte jedoch die Entwicklung der Figuren am Damenflügel. Diesen Umstand nutzte Ziyi zu einem taktischen Schlag, der ihm trotz starker Gegenwehr einen Qualitätsgewinn ermöglichte.
In der Folge spielte Ziyi konzentriert weiter, fand die richtigen Ideen, seinen Vorteil auszubauen, und gewann schließlich mit einem Abzugsschach noch eine Leichtfigur. Aufmerksam vermied er alle Gefahren durch Springerzüge und verwertete die Stellung zu einem immer deutlicher werdenden Sieg.

Der Applaus der Zuschauer galt am Ende beiden Spielern, und meine Gratulation ging ehrlichen Herzens demonstrativ zuerst an Mariia. Sie hatte ein tolles Turnier gespielt und ihren Anteil an dieser würdigen Finalpartie. Platz 2 im Gesamtturnier und der Sieg in der u12-Klasse (vor allen gleichaltrigen Jungen) sind wohl sogar ihr bislang schönster Erfolg! Danach galt es natürlich umso mehr, den Erfolg mit Ziyi zu feiern, der dies aber in seiner gewohnt stoischen Art fast ungerührt quittierte.

Seit zwei Jahren spielt Ziyi relativ regelmäßig bei den Jahreszeiten-Turnieren. Im letzten Herbst-Open gelang ihm erstmals der Sprung in die Top-Ten. Bisher verdarb Ziyi immer noch die eine oder andere Partie durch einen groben Einsteller. So wurden die bisherigen Wettkampfergebnisse seinem Können nicht annähernd gerecht. Dass er diese Phase überwunden hat, zeigte sich schon bei unserem Weihnachtsturnier (Platz 9 mitten im Feld der starken Vereinsspieler) und vor zwei Wochen, als er unser WK-III-Team vom Spitzenbrett zum Gewinn der Berliner Schnellschach-Meisterschaft führte.
Jetzt hat endlich alles gepasst! Voll konzentriert ließ Ziyi in allen fünf Runden keine Zweifel aufkommen und belohnte sich mit dem Turniersieg. An dieser Stelle steht dann immer der Satz, dass nun der Moment gekommen ist, sich noch größeren Herausforderungen zu stellen. Ich freue mich darauf.

Bild Bild Der Blick aufs Brett

Zwei taktische Standards sorgten in den wichtigsten Partien für die Entscheidung.

Diagramm links: In der vierten Runde gegen Vladyslava Anina hat Ziyi seine Figuren schon für den Königsangriff ausgerichtet. Mit 28.Dxf5 leitete er die Verwertung des Vorteils ein. Wegen Springergabel-Schach auf h6 ist das Damenopfer nur ein Scheinopfer. Und weil der Zug 29.Sxh6+ ohnehin nicht zu vermeiden ist, war die Partie hier entschieden.

Diagramm rechts: Die Finalpartie wurde durch die schlechte Entwicklung des weißen Damenflügels entschieden. 19… Sb3 gewinnt eine Qualität. Auch auf e2 hätte der Springer gute Dienste getan. Nach 20.axb3 Lxf2, 21.Lg5(?) Td1+ ist zudem die weiße Grundreihe dauerhaft gelähmt.

Zwiespältige Ergebnisse im weiteren Feld

Leider gelang es neben Ziyi und Mariia keinem unserer Spieler, über alle fünf (langen) Runden der beiden Tage konstant sein Leistungsvermögen umzusetzen. Die große Menge an Eindrücken erlaubt mir an dieser Stelle nicht, auf einzelne Spieler im Detail einzugehen. Manches konnten wir schon während des Turniers besprechen, manches wird noch aufzuarbeiten sein. Immerhin sechs weitere Spieler aus unserem Team konnten sich in der vorderen Tabellenhälfte einreihen. Glückwunsch dazu an Zhenja, Lio, Peter, Zishuo, Datha und Maksim. Ihnen und den weiteren Teilnehmern sei gesagt, dass sie sich gerne bei Ziyi erkundigen dürfen, wie man es besser macht!


Bericht und Fotos: Thomas Binder