Trainingsmaterial Nr. 6

Inhaltsverzeichnis

Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 5
Interessantes aus Bauernendspielen
Hausaufgabe
Schachlinks
Final Fun




  Eröffnungsfallen – Heute: Doppelangriff

Heute soll uns wieder eine Reihe von Kurzpartien interessieren, die durch eine Eröffnungsfalle entschieden wurden.

Diesmal geht es um frühe Doppelangriffe der Dame, durch die eine Figur gewonnen wird oder ein anderer entscheidender Vorteil entsteht. Gerade die Dame mit ihrer weitreichenden Wirkung in alle Richtungen erfordert ungeteilte Aufmerksamkeit.
Einige oft zu sehende Motive sollen das verdeutlichen. Es gibt weitaus mehr Partien dazu, als ich hier darstellen kann.

Beginnen wir mit einer Partie von der Schacholympiade 1974 aus dem Wettkampf Tschechoslowakei – Wales:
Lechtynsky – Trevillian, Nizza 1974
Ähnlich erging es dem bekannten österreichischen Schachautor und -meister Hans Kmoch (1894 – 1973):
Kmoch – Elison, Amsterdam 1948
Jetzt sehen wir 2 bulgarische Spitzenspieler ihrer Tage:
Padewski – Pantschew, Sofia 1959
Sehr oft ist ein Damenschach mit Angriff auf eine ungedeckte Figur verbunden:
Krenzlingen – Kelin, Schweiz 1982
Und noch eine Partie aus einer Schacholympiade. Diesmal vom Spiel Belgien – Japan:
Schumacher – Sugimoto, Malta 1980
Nun zum Angriff der Dame gegen beide Türme. Das sieht man nicht ganz so oft, aber ich habe hier 3 Beispiele zusammengetragen:
3 sehr ähnliche Partien
Ein weiteres Motiv mit 2 Beispielen:
Während die erste Partie aus der Literatur stammt, traf es im zweiten Fall einen Mannschaftskameraden von mir.
2 ganz kurze Partien:
Aber was uns Amateuren passiert, gibt es auch bei den ganz Großen zu sehen. Das folgende Beispiel aus einem der stärksten Turniere der Welt machte die Runde durch alle Schachspalten. Immerhin ist kein Geringerer als ein Weltmeister betroffen.
Christiansen – Karpow, Wijk 1993

Zum Schluss noch eine eigene Partie!
Die folgende Falle kann ich bei Blitzpartien recht oft anbringen. Im Turnierschach gelang es mir bislang nur einmal – ausgerechnet bei einem meiner schlechtesten Turniere überhaupt. Gegner war ein Nachwuchsspieler aus Schleswig-Holstein.
Pause – Binder, Travemünde 1996




  Interessantes aus Bauernendspielen

Wir wissen schon, dass in scheinbar verlorenen Endspielen oft noch das Patt die einzige Rettungsmöglichkeit bietet.
Auch in reinen Bauernendspielen kann das vorkommen. Sehen wir uns ein lehrreiches Beispiel an. Es stammt aus der Schacholympiade 1996 vom Mannschaftskampf – man lese und staune – Barbados gegen San Marino. Der Spieler aus dem europäischen Zwergstaat hatte sich eine klar vorteilhafte Stellung erarbeitet, doch dann ließ er den Mann aus der Karibik doch noch ins Patt entschlüpfen.
Ganz nebenbei gibt es noch eine Erinnerung an unser erstes Trainingsmaterial mit dem "Trebuchet".
Warner – Bezzi, Jerewan 1996
Übrigens: Am Ende kam Barbados auf Platz 89 und San Marino auf Rang 101 unter 114 Ländern.

Schauen wir uns als nächstes eine Aufgabe des Holländers Harold van der Heijden an.
Erneut werden wir feststellen, dass der Weg zum Sieg über einen scheinbar paradoxen Zug führt.
Sehen wir zunächst, worum es geht:
Studie von v.d.Heijden – Einführung
Aber Weiß soll doch gewinnen?!
Ja – auch das geht. Wie so oft ist es ein scheinbar paradoxer Zug, an den man einfach gar nicht denken möchte.
Studie von v.d.Heijden – Lösung


Nun lernen wir noch eine sehr wichtige Regel für Bauernendspiele kennen: Die Quadrat-Regel.
Sie hilft uns, schnell zu entscheiden, ob der König einen Bauern auf dem Weg zum Umwandlungsfeld noch aufhalten kann, oder nicht.
Erstmals formuliert wurde diese Regel von dem österreichischen Schachmeister Johann Berger (1845 – 1933), nach dem sie gelegentlich auch benannt wird.
Die Regel ist ganz einfach: Wir denken uns ein Quadrat, in dessen einer Ecke der Bauer steht und das bis zur Umwandlungsreihe reicht. Dieses wird dann in Richtung des gegnerischen Königs aufgezogen, wie es das Bild verdeutlicht.
Wenn der verteidigende König in diesem Quadrat steht (oder unmittelbar hineinziehen kann), hält er den Bauern auf, sonst nicht. Zieht der Bauer vor, verkleinert er natürlich auch mit jedem Zug sein Quadrat.
Beachten muss man noch, dass ein Bauer von der Grundreihe 2 Felder vor ziehen kann. In diesem Fall beginnt das Quadrat also eine Reihe vor dem Bauern.

Bild zur Quadratregel Mit diesem Wissen kann man die Stellung des Bildes ganz leicht beurteilen:
  • Mit Schwarz am Zug ist die Stellung Remis. Der König kann sofort in das Quadrat eindringen.
  • Weiß am Zug hingegen gewinnt, da sein Bauer vorzieht und damit sein Quadrat mit jedem Zug verkleinert. Schwarz kommt immer zu spät.

Die Quadrat-Regel hilft uns nun bei einer berühmten Studie des Tschechen Richard Reti (1889 – 1929), der Anfang des 20. Jahrhunderts sowohl als Turnierspieler als auch Theoretiker und Autor hervortrat.
Weiß am Zug – Remis!




  Hausaufgabe

Wir lösen jetzt die Aufgabe aus Training Nr. 4 auf.
Zunächst schaut euch die Partie mit Kommentaren an.
Binder – Schulz, 1995

Und nun die Antwort auf die Fragen aus Training Nr.4:

  1. Schwarz hat vor allem deshalb verloren, weil er in der Eröffnung planlos agierte und seine Entwicklung sträflich vernachlässigte.
    Züge wie 3. … h6 sowie die Rückzüge von Läufer und Springer widersprachen allen Eröffnungsgrundsätzen. Dem gegenüber wiegen einzelne taktische Übersehen gar nicht so schwer.
  2. Es wurde unter Zugumstellung das Morra-Gambit erreicht. Normalerweise spielt man dies über 1.e4 c5 2.d4 c:d4 3.c3 d:c3 4.S:c3.
    Wie bei jeder Gambiteröffnung muss der Angreifer schnelle Mobilisierung seiner Figuren anstreben und einen Angriff finden, der dem Gegner entscheidende Schwächen oder gar materiellen Nachteil verschafft. Dabei steht der eventuelle Rückgewinn des Bauern völlig im Hintergrund.
    Der Verteidiger hat in der Regel einen Entwicklungsnachteil. Diesen muss er schnellstens aufholen und dabei auf die Sicherheit seines Königs achten. Dabei schreckt man auch nicht davor zurück, in einem günstigen Moment den Bauern zurückzugeben.
  3. Das Qualitätsopfer im 15. Zug war ein letzter verzweifelter Versuch, die Entwicklung zu beenden und noch einmal ins Spiel zu kommen. Die Ursache für die Niederlage liegt nicht in diesem Materialverlust sondern bereits früher.
  4. Während der Partie hatte ich eine Schrecksekunde, als ich 15. … e4 sah. Doch die Analyse zeigt, dass Weiß auch danach gewinnen wird.
    Schauen wir uns einige Varianten dazu an: Variante zur Partie
    Es ergeben sich zahlreiche neue Angriffsideen für Weiß, insbesondere eine phantastische Mattkombination. Mit sehr genauem Spiel konnte Schwarz aber seine Stellung mühselig konsolidieren und in eine nur gering nachteilige Position kommen.
    In der praktischen Partie wäre 15. … e4 sicher die beste Chance für ihn gewesen.
  5. Nach 18. Dh5 ist die Sache gelaufen. Schwarz konnte sich nicht mehr erträglich verteidigen.
    19. … h:g5 verliert entscheidend Material. Nach 20. De8 hilft nur noch ein sinnloses Damenopfer gegen das sofortige Matt.

Und hier nun die neue Aufgabe für dieses Mal.

Wir kommen auf das Thema "Irrtümlich aufgegebene Schachpartien" zurück.
In den folgenden 3 Partien gab jeweils einer der Spieler auf. In 2 Fällen erwies sich gerade dies als der entscheidende Fehler, denn die Stellung war keineswegs hoffnungslos.
Findet also diese Partien und zeigt, wie man sich hätte retten können. In einer der 3 Partien geschah die Aufgabe zu Recht – dennoch passt diese Partie zu unserem Thema.
Aufgabe 1
Aufgabe 2
Aufgabe 3




  Schachlinks

Und hier wieder der Hinweis auf eine Reihe interessanter Seiten im Internet!
Diesmal habe ich einige deutschsprachige Online-Shops zusammengestellt. Sie bieten alles, was das Herz des Schachspielers höher schlagen läßt: Bücher, Software, Schachspiele, Uhren und vieles mehr.
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Die Liste erhebt nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Aus dem Fehlen eines Anbieters soll nicht geschlossen werden, dass gegen diesen Vorbehalte bestünden.

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  Final Fun

Die amerikanische Meisterschaft 1945 fand in der Filmmetropole Hollywood statt. So ließen sich auch einige Filmstars blicken, die vom Schach nicht eben viel verstanden. Von einer bekannten Schauspielerin wird berichtet, dass sie das Spitzenspiel der Weltklasse-Könner Fine und Reschewsky beobachtete, die ein langwieriges Springerendspiel auf dem Brett hatten. Darauf die Dame zu ihrem Begleiter: "Mein Gott, sind das schwache Spieler!" – Fragende Blicke allenthalben – "Naja, beide haben schon die Dame verloren!".

Im Jahre 1908 gab es irgendwo in Süddeutschland einen Wettkampf über 6 Partien zwischen den lokalen Meistern Burletzki und Köhnlein. Vor allem Burletzki überschätzte sein Können maßlos und ging mit (zu) großem Selbstbewusstsein in die Partien.
Die 1. Partie gewann Köhnlein. Darauf Burletzki: "Ich habe einen dummen Fehler gemacht."
Die 2. Partie gewann Köhnlein. Darauf Burletzki: "Man kann nicht immer gewinnen."
Die 3. Partie gewann Köhnlein. Darauf Burletzki: "Ich bin heute nicht in guter Form."
Die 4. Partie gewann Köhnlein. Darauf Burletzki: "Er spielt nicht schlecht."
Die 5. Partie gewann Köhnlein. Darauf Burletzki: "Ich habe ihn unterschätzt."
Die 6. Partie gewann Köhnlein. Darauf Burletzki: "Ich glaube, er ist mir ebenbürtig."

Meister George Koltanowski (1903 – 2000) wurde während einer Turnierpartie gefragt: "Sie haben ja die Qualität weniger – geopfert oder eingestellt?" Darauf die Antwort: "Das kann ich ihnen erst nach der Partie sagen. Wenn ich gewinne war es ein Opfer. Wenn ich verliere war es ein Fehler."

Allzuoft hat der Verlierer nach der Partie eine billige Entschuldigung zur Hand. Mal sind es Kopfschmerzen, mal eine Erkältung, andere haben letzte Nacht kaum geschlafen…
Das ist natürlich ärgerlich, soll es doch die Leistung des Siegers schmälern. Die dazu passende schlagfertige Antwort wird vielen großen Meistern in den Mund gelegt, z. B. Blackburne (1841 – 1924):
"Ich spiele jetzt 50 Jahre Schach, aber ich habe noch nie gegen einen gesunden Spieler gewonnen."




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Thomas Binder, 2003