Trainingsmaterial Nr. 7

Inhaltsverzeichnis

Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 6
Glanzstücke der Schachgeschichte – Folge 4
Hausaufgabe
Aus der Geschichte des Computerschachs
Schachlinks
Final Fun




  Eröffnungsfallen – Heute: Eingefangene Läufer

Heute soll uns wieder eine Reihe von Kurzpartien interessieren, die durch eine Eröffnungsfalle entschieden wurden.

Recht häufig sieht man, dass der scheinbar so wendige Läufer frühzeitig eingefangen wird. Eine Bauernkette auf passender Farbe genügt, um ihm jede Fluchtmöglichkeit zu nehmen.
Schauen wir uns einige Beispiele an:

Zunächst sehen wir zwei ganz Große aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Ungar Lajos Steiner (1903 – 1975) verliert hier gegen den kurz zuvor entthronten Weltmeister Raoul Capablanca (1888 – 1942).
Steiner – Capablanca, Budapest 1929
Eigentlich sollte ein starker Spieler solche historischen Vorbilder kennen. Dennoch wiederholte sich diese Partie Zug für Zug bei der Schacholympiade 1956 im Wettkampf Polen – Sowjetunion zwischen Dworzynski und Keres.

Noch schneller besiegte der bekannte Däne Curt Hansen (heute ein Weltklasse-Spieler) bei der Junioren-WM 1980 seinen Gegner Rodas aus Guatemala. So kann man sich in einem anstrengenden Turnier einen freien Tag verschaffen :-)
Hansen – Rodas, Dortmund 1980

Ein weiterer Kurzschluss diesmal aus einer Fernpartie. Da kann man vermuten, dass der Anziehende einfach die Figuren falsch aufgebaut hatte (1. … e5 statt 1. … c5).
Bleischmidt – Lytschuk, Sowjetunion 1976
Als Jugendtrainer musste ich 1985 mit ansehen, wie einer meiner Schützlinge genau den gleichen Patzer beging und uns in einem wichtigen Pokalspiel früh auf die Verliererstraße brachte.

Etwas anders sind die Verhältnisse im folgenden Beispiel aus Kanada.
Abt – Inkjol, Toronto 1979

Zum Schluss ein instruktives Beispiel, welches zeigt, dass man nicht blind auf den Läuferfang spielen darf. Die Partie gehört zum klassischen Repertoire der einschlägigen Literatur.
Teed – Delmar, New York 1896




  Glanzstücke der Schachgeschichte

Wir setzen unseren Streifzug durch denkwürdige Partien und Kombinationen fort.

Briefmarke Als erstes wollen wir eine Partie betrachten, die zeigt wie ein Spieler durch eine einzige Partie "unsterblich" werden kann.
Den schwedischen Musiker und Fernschachspieler Arvid Sundin kennt man eigentlich nur, weil ihm eine wunderschöne Mattkombination gelang. Diese Partie wird auch als die "Unsterbliche Fernschachpartie" bezeichnet.
Als nun die schwedische Post 1985 eine Briefmarke zum Thema Schach herausgab, fiel die Wahl des Motivs ausgerechnet auf einen Ausschnitt aus der Schlussstellung dieser Partie. Eine solche Ehre ist nur ganz wenigen Schachspielern zuteil geworden.
Die unsterbliche Fernpartie

Den Begriff Zugzwang kennen wir bereits. Er bezeichnet Situationen, in denen die am Zuge befindliche Seite mit jedem regulären Zug ihre Stellung entscheidend verschlechtert.
Oft passiert so etwas im Endspiel. Unser heutiges Beispiel aber zeigt eine Zugzwangstellung bei vollem Brett nach nur 25 Zügen.
Beteiligt sind 2 Weltklasse-Spieler ihrer Tage: Der Deutsche Friedrich Sämisch (1896 – 1975) und der Däne Aaron Nimzowitsch (1886 – 1935).
Die unsterbliche Zugzwangpartie

Nun noch zu einer ganz besonderen Partie. Die Firma Chessbase führt auf ihrer Homepage eine fortlaufende Umfrage (Link: siehe hier) nach den schönsten Partien der Schachgeschichte durch. In dieser "Volksabstimmung" liegt die folgende Partie auf Platz 1.
Sie wurde 1956 von dem damals 13jährigen späteren Weltmeister Robert "Bobby" Fischer gespielt und machte ihn schlagartig als "Wunderkind" weltberühmt. Sein Gegner ist der mehrfache USA-Meister Donald Byrne (1930 – 1976), der damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand. Gelegentlich wird die Partie auch als "Spiel des Jahrhunderts" bezeichnet.
Byrne – Fischer, New York 1956




  Hausaufgabe

Wir lösen jetzt die Aufgabe aus Training Nr. 5 auf.
Na, das war wohl einfach. Die richtige Antwort lautet: B – Weiß hält Remis.
Nach 2 leicht verständlichen Anfangszügen entsteht eine Fesselung. Weiß muss nun nur diese Fesselung aufrecht erhalten. Dies geschieht durch Hin- und Herziehen des Läufers auf der Diagonalen e3-g1. Schwarz hat keine andere Möglichkeit als mit seinem Turm in der d-Linie zu bleiben. Das beste, was Schwarz erreichen kann, ist ein Endspiel mit Turm gegen Läufer. Dieses Endspiel ist im Normalfall und bei aufmerksamem Spiel Remis, auch wenn natürlich der Spieler mit dem Läufer noch einiges falsch machen kann…
Lösung der Hausaufgabe


Und hier nun die neue Aufgabe für dieses Mal.

Die heutige Aufgabe erinnert uns an das Motiv der eingesperrten Läufer. Sie basiert auf einer Partie, die ich 1995 gegen einen aufstrebenden Jugendlichen spielte. Hier zunächst die entscheidende Stellung:
Hausaufgabe
Weiß hat eine Qualität geopfert und dafür 2 Bauern sowie einigen Angriff gegen den schwarzen König bekommen. Jetzt droht Schwarz aber, nach 29. … h4 den eingeklemmten Läufer zu erobern.
Welche der folgenden Aussagen beschreibt nun die richtige Fortsetzung der Partie?

  1. Weiß wird den Läufer verlieren und kann dann auch die Partie nicht mehr retten.
  2. Weiß wird den Läufer verlieren, aber die Stellung ist schon so gut, dass Weiß trotzdem gewinnt.
  3. Weiß kann seinen Läufer retten und die Partie danach gewinnen.
  4. Weiß kann seinen Läufer retten, muss dafür aber große Zugeständnisse machen und kann nicht mehr gewinnen.

Wie bekannt genügt hier nicht die Angabe des richtigen Buchstaben, sondern es ist eine Begründung gefragt. Dafür gibt's auch keine Million zu gewinnen :-)




  Aus der Geschichte des Computerschachs

Heute ist es bekanntlich so, dass selbst die absoluten Top-Spieler gegen die besten Computerprogramme auf verlorenem Posten stehen.
Das war natürlich nicht immer so. Die hier vorgestellte Partie ist so etwas wie der erste Fall, da die Computer den Menschen einen Gedanken voraus waren. Sie wurde bei der Computer-Weltmeisterschaft 1977 gespielt und sorgte weltweit für großes Aufsehen. Damals spielten übrigens nicht etwa PC-Programme sondern raumfüllende Computer-Monster.

Sehen wir uns zunächst die entscheidende Stellung an:
Duchess – Kaissa, 1977
Nun waren sich alle Anwesenden – durchweg Schachexperten – einig, dass Schwarz in der Anfangsstellung Kg8-g7 spielen sollte. Immerhin war unter ihnen selbst der Exweltmeister Michail Botwinnik (1911 – 1995), der sich nach seiner aktiven Karriere intensiv mit Computerschach beschäftigte.
Vor so viel Kompetenz verzweifelten auch die Programmierer von Kaissa und entschuldigten sich, dass ihnen da wohl ein ganz furchtbarer Fehler ins Programm geraten war.
Am nächsten Tag kam die Überraschung: Über Nacht hatte der Computer seinen Programmierern sozusagen erklärt, warum er nicht Kg7 spielte.
Versucht bitte zunächst selbst, ein schnelles Matt nach 34. … Kg8-g7 zu finden – wie gesagt, die anwesende Prominenz fand es nicht…
Und das fanden die Computer




  Schachlinks

Und hier wieder der Hinweis auf einige interessante Seiten im Internet!
Zum Öffnen der Seiten bitte immer den Text im linken Tabellenfeld anklicken.

URL Erklärung
WDR Der WDR ist der einzige deutsche Fernsehsender, der regelmäßig Schachsendungen bringt. Auf dieser Seite findet man vor allem das Partiearchiv der jährlichen Großmeisterpartien im Nachtprogramm.
WM-Geschichte Ausführliche Übersichten und Berichte zur Geschichte der Schach-Weltmeisterschaften (einschl. Frauen, Junioren, Computer, Senioren, Fernschach …) ENGLISCH!
Bundesliga Offizielle Seite der deutschen Schach-Bundesligen.
Schach-Ticker Aktuelle Turnierberichte aus Deutschland und aller Welt



  Final Fun

Heute bereite ich eine Geschichte aus dem lesenswerten Buch: "Das Geheimnis des schwarzen Königs" von A.Herbstman auf.
In vielen (z.T. abgelegenen) Regionen der Welt haben sich bis tief in das 20. Jahrhundert andere Schachregeln erhalten als die international üblichen. Die Leute spielen dort eben seit Jahrhunderten ihre Art des Schachspiels.
Der Kern der Geschichte ist schnell erzählt:
Im Spanischen Bürgerkrieg besucht ein russischer Großmeister ein Lazarett mit Soldaten der Internationalen Brigaden aus aller Herren Länder. Er gibt eine Simultanvorstellung gegen 8 Spieler. Großzügig erlaubt er allen Spielern, dass sie nach ihren eigenen Regeln spielen dürfen – das hätte er lieber nicht tun sollen.

Sehen wir uns alle 8 Partien und die Erklärungen dazu an:
Partie gegen einen Spanier… 0:1
Partie gegen einen Italiener… 0:2
Partie gegen einen Araber… 0:3
Partie gegen einen Inder… 0:4
Partie gegen einen Iraner… 0:5
Partie gegen einen Deutschen… 0:6
Partie gegen einen Skandinavier… 0:7
Partie gegen einen Basken… 0:8

So ist es also passiert: Obwohl er in 6 Partien klar auf Gewinn stand und die beiden anderen hätten remis ausgehen sollen, hat der Großmeister alle Partien verloren. "Kleine" Regeländerungen führten zu einer völligen Umkehr der Bewertungen.
All diese regionalen Spielweisen hat es einst gegeben, aber heute spielt man freilich überall nach den gleichen Regeln.




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Thomas Binder, 2003