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Opferklassen – Folge 6
Einführung in die Schachstrategie – Folge 9
Hausaufgabe
Schach-Spielarten – Folge 2
Geschichte der Schach-Weltmeisterschaften – Folge 3
Schachlinks – Folge 13
Final Fun
In dieser Folge geht es heute um Hemmungsopfer.
Nein: Nicht um hemmungsloses Opfern sondern um Hemmungsopfer.
Mit diesem etwas merkwürdigen Begriff beschreibt man Opfer, bei denen ein Bauer am Vorziehen gehindert (also "gehemmt") wird. Wir
werden gleich sehen, wozu das gut sein kann.
Gleich unser erstes Beispiel führt uns ganz weit nach oben – zu Exweltmeister Robert Fischer. 1963 gewann er die USA-Meisterschaft
mit riesigem Vorsprung. Auch der später drittplatzierte Großmeister Pal Benkö hielt nur wenige Züge durch.
Fischer – Benkö, New York 1963
Fast identisch ist das Motiv in einer Partie des bekannten deutschen Fernschachspielers Peter Leisebein.
Leisebein – Kuni, 2000
Eine typische Bauernhemmung zeigt uns auch die folgende anonyme Lehrstellung.
Lehrbeispiel zur Bauernhemmung
Schließlich sehen wir in 2 Beispielen, wie man (wiederum unter Opfern) gegen eine Hemmung ankämpfen kann.
Zunächst ein überraschender Erfolg, des weniger bekannten russischen Meisters Nikolai Kopajew (1914 – 1978) gegen Großmeister
Wladimir Alatorzew (1909 – 1987). Alatorzew belegte in diesem Turnier den 2. Platz. Diese Niederlage kostete also den Turniersieg.
Für Kopajew war der 7. Platz einer seiner größten Erfolge.
Kopajew – Alatorzew, Leningrad 1938
Die folgende Aufgabe ersann Dr. Berthold Lasker, der Bruder des Weltmeisters Emanuel Lasker.
Studie von Dr. B. Lasker, Weiß am Zug
Es ist offensichtlich, dass die Stärke einer einzelnen Figur vorrangig von ihrer Beweglichkeit und ihrem Einfluss (also den
direkt erreichbaren Feldern) abhängt. Unter allen Figuren verdient hierbei aber der Läufer besondere Beachtung. Es kommt nämlich
immer wieder vor, dass ein Läufer von den eigenen oder gegnerischen Bauernketten so sehr in seiner Beweglichkeit gehindert ist,
dass er seine Wirkung völlig einbüßt. Umgekehrt verschaffen freie Diagonalen dem Läufer großen Einfluss auf weiten Bereichen des
Schachbretts.
Wegen der oft über lange Zeit festgelegten Struktur der Bauernketten muss die Postierung der Läufer und der Einfluss von Bauernformationen
mit besonderer Weitsicht und Sorgfalt geplant werden.
Ein guter Läufer ist folglich dann gegeben, wenn er möglichst zentral postiert ist (oder postiert werden kann) und
in alle Richtungen offene Diagonalen besetzt. In diesem Falle sollten die eigenen Bauern auf Feldern der entgegengesetzten
Farbe stehen.
Hingegen wird ein schlechter Läufer meist von Bauern auf der gleichen Feldfarbe eingesperrt. Besonders traurig ist
es, wenn diese Bauern "festgelegt" sind und keine Aussicht auf Besserung besteht.
Zwei schematische Stellungen aus dem einschlägigen Lehrbuch der deutschen Großmeister Uhlmann und Voigt sollen dies veranschaulichen.
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Im linken Beispiel dominiert der starke Läufer vor allem über den eingesperrten schwarzen Springer. Dieser ist bereits
hilflos gegen das Manöver b3-b4-b5 (mit oder ohne Bauerntausch), wonach er einfach geschlagen wird.
Im rechten Beispiel kann der Läufer nichts ausrichten. Weiß kann u.U. sogar nach Sd4-b3-a5 auf b7 schlagen. Selbst wenn
Schwarz den Bauern b7 mit Ld7-c8 deckt, kann er einfach genommen werden, da nach Annahme des Springeropfers der d-Bauer ungehindert
durchläuft.
Nun folgen einige besonders eindrucksvolle Partien aus der Meisterpraxis zu unserem Thema.
Zunächst sehen wir ein überlegenes Spiel gegen einen schwachen Läufer durch Weltmeister Alexander Aljechin. Er bezwingt hier beim
Turnier in Baden-Baden 1925 den englischen Internationalen Meister George Alan Thomas (1881 – 1972). Aljechin wurde überlegen
Turniersieger, Thomas kam in einem hochkarätigen Feld nur auf den vorletzten Platz.
Thomas – Aljechin, Baden-Baden 1925
Nun wieder ein lehrreicher Gewinn von Wolfgang Uhlmann, diesmal gegen den slowenischen Großmeister Enver Bukic. Uhlmann konnte
das internationale Turnier 1966 in Ungarn vor dem russischen WM-Kandidaten Bronstein gewinnen. Bukic belegte einen Platz im
Mittelfeld.
Uhlmann – Bukic, Ungarn 1966
Sehen wir nun noch einen Erfolg des Engländers Anthony Miles gegen Exweltmeister Smyslow, der Mitte der 80er Jahre nochmals zur
absoluten Weltspitze vordrang. Miles (1955 – 2001) gehörte zu den größten Talenten des westeuropäischen Schachs. Seine Karriere
litt jedoch unter schweren gesundheitlichen Problemen, in deren Folge er früh verstarb. Bei diesem deutschen Turnierhöhepunkt
belegte er Platz 2.
Miles – Smyslow, Dortmund 1986
Wir lösen jetzt die Aufgaben aus Training Nr. 27 auf.
Es handelte sich um 2 Taktikaufgaben zum Thema "Zerstörungsopfer". Sehen wir uns also die Lösungen an.
Lösung zur Aufgabe 1
Lösung zur Aufgabe 2
Und hier nun die neue Aufgabe für dieses Mal.
Die heutige Hausaufgabe basiert auf der 8. Partie des WM-Kampfes 2004 zwischen Kramnik und Leko. Die Frage ist dem folgenden
Partieausschnitt zu entnehmen.
Hausaufgabe, Kramnik – Leko, 8. WM-Partie
Auch das Protestschach ist eine Variante, die durchaus einen sinnvollen Effekt für das Schach-Training haben kann. Die übliche englische Bezeichnung lautet "Refusal Chess". Im deutschen Sprachraum habe ich auch schon "Wahlschach" und "Ablehnschach" gelesen.
Wesen des Spiels | Es wird eine normale Schachpartie gespielt. Jedoch darf man jeweils den gegnerischen Zug ablehnen. Der Gegner muss sich dann für einen anderen Zug entscheiden, den man nicht mehr ablehnen darf. |
Regel-Besonderheiten | Es ist egal, ob beim 2. Zug die gleiche Figur gezogen wird, wie im 1. Versuch. Außerdem ist zu beachten, dass nach einer abgelehnten Bauernumwandlung sehr wohl der gleiche Bauer auf dem gleichen Feld in eine andere Figur verwandelt werden darf. |
Taktische Kniffe |
Das wichtigste im Protestschach ist offensichtlich, dass man mehrere wirksame Drohungen aufstellt, so dass der Gegner nur noch
das geringere Übel wählen kann. Eine angegriffene Figur ist nur ausreichend gedeckt, wenn sie auf 2 Arten geschützt ist. Sonst könnte der Gegner das erste Zurückschlagen ja ablehnen. |
Varianten |
Varianten gibt es vor allem bei der Frage, wie das Matt behandelt wird. In der klassischen Form ist ein Spieler selbst
dann matt, wenn ihm ein einziger Zug zur Mattabwehr bleiben würde – diesen kann man ja ablehnen. In der etwas "weicheren"
Spielweise kann man den gegnerischen Zug nicht ablehnen, wenn dies der einzige legale Zug ist. Andererseits kann man sich auch auf eine Regel einigen, bei welcher der König im Schach (oder gar Matt) stehen bleiben kann. Der nächste Zug, mit dem der König geschlagen würde, wird einfach abgelehnt. Eine weitere Variante ist unter dem englischen Namen "Compromise Chess" bekannt. Jeder Spieler gibt dem Gegner 2 Züge an, dieser darf sich einen davon aussuchen. |
Internet-Link |
Die Refusal-Sektion auf der Chessvariants-Homepage: Chessvariants Dort kann man sogar in einem Java-Applet direkt eine Protestschach-Partie gegen den Computer spielen. |
Zum Protestschach liegt uns auch eine kleine Aufgabe vor. Sie stammt von einem respektablen Schachspieler, dem mehrfachen
britischen Meister Conel Hugh O'Donnel Alexander (1909 – 1974).
Die Regelauslegung ist in diesem Fall wie folgt:
Aufgabe zum Protestschach
Lösung dieser Aufgabe
Nach 1990 ist die Schachwelt gehörig in Unruhe geraten. Der Weltverband FIDE verschlief aktuelle Entwicklungen und so gründeten
sich konkurrierende Verbände der Profispieler. Auch verschiedene Sponsoren haben immer wieder versucht, Weltmeisterschaften unter
ihrem Namen auszurichten. Oft führten Streit und Gerangel sogar zur Absage geplanter Titelkämpfe.
Mehrfach wurden auch Wettkämpfe "Mensch gegen Computer" als Weltmeisterschaften ausgegeben.
Hinzu kommt, dass die FIDE ihre Meisterschaften jetzt in Form eines KO-Turniers über nur je 2 Partien ausrichtet. Da ist dem
Zufall Tür und Tor geöffnet, so dass Spieler vorstoßen, die nicht mit den großen Persönlichkeiten früherer Jahrzehnte zu vergleichen sind.
Schließlich haben oft genug die absoluten Top-Spieler auf die Teilnahme verzichtet.
Kurzum: Man fühlt sich fatal an die Zustände beim Profiboxen erinnert…
Dennoch soll hier eine Übersicht über die WM-Kämpfe der "Neuzeit" versucht werden:
Weltmeisterschaften der FIDE
Jahre | Weltmeister | Bemerkungen |
---|---|---|
1993 – 1999 | Anatoli Karpow (Russland) | Nachdem Kasparow zum konkurrierenden Verband PCA gewechselt war, entzog ihm die FIDE 1993 den Titel und setzte seinen Vorgänger Karpow wieder als Weltmeister ein, obwohl dieser seine alte Stärke längst eingebüßt hatte und im laufenden Kandidatenturnier bereits im Halbfinale ausgeschieden (!) war. Im Titelkampf siegte Karpow dann gegen den Kandidaten-Sieger Jan Timman aus Holland und verteidigte den Spitzenplatz später gegen Kamsky (USA) und Anand (Indien). |
1999 | Alexander Khalifman (Russland) | Erstmals wurde die WM in einem Turnier nach KO-System mit Mini-Matches (in den frühen Runden nur je 2 Partien) ausgetragen. In Abwesenheit vieler Spitzenspieler (darunter Weltmeister Karpow) siegte der Russe Khalifman, der um Platz 50 der Weltrangliste einzuordnen war. Auch sein Finalgegner Akopjan (Armenien) war nicht unbedingt ein standesgemäßer Vizeweltmeister. |
2000 | Vishwanathan Anand (Indien) | Der schnell und attraktiv spielende Inder war ein würdiger Weltmeister. Im Viertelfinale setzte er sich gegen Khalifman durch. Danach besiegte er die Top-Spieler Adams (England) und Schirow (Spanien). |
2002 | Ruslan Ponomarjow (Ukraine) | Im Alter von 18 Jahren wurde Ponomarjow der jüngste Weltmeister aller Zeiten. Er gehörte zur absoluten Weltspitze, eine dominierende Persönlichkeit war er indes nicht. Bei der WM in Moskau zeigte er seine beste Leistung und bezwang reihenweise höher eingestufte Großmeister – im Finale seinen Landsmann Iwantschuk, davor u.a. die russischen Großmeister Barejew und Swidler. |
2004 | Rustam Kasimdschanow (Usbekistan) | Die WM im libyschen Tripolis litt erneut unter der Abwesenheit vieler Spitzenspieler. Mit dem jungen Usbeken gewann die Nummer 57 der aktuellen Weltrangliste. In den letzten beiden Runden siegte er als krasser Außenseiter gegen die WM-Favoriten Topalow (Bulgarien) und Adams (England). |
Weltmeisterschaften der Profi-Verbände und privater Sponsoren
Jahre | Weltmeister | Bemerkungen |
---|---|---|
1993 – 2000 | Garri Kasparow (Russland) | Der von der FIDE ausgeschlossene Weltmeister verteidigte seinen Titel 2x unter dem Dach des Profi-Verbandes PCA: 1993 bezwang er den Engländer Nigel Short und 1995 den Inder Anand (den späteren FIDE-Weltmeister). Danach brachte der Verband jedoch keinen WM-Kampf mehr zu Stande. |
seit 2000 | Wladimir Kramnik (Russland) | Die Firma Braingames richtete 2000 den nächsten WM-Kampf aus. Der Russe Kramnik war ein würdiger Herausforderer für Kasparow und konnte diesen mit 2 Siegen bei 13 Remis überraschend bezwingen. Im Herbst 2004 verteidigte er seinen Titel gegen den ungarischen Verteidigungskünstler Peter Leko in einem Wettkampf unter dem Sponsoring der Tabakfirma Dannemann. |
Hier nun einige weitere attraktive Partien der Weltmeister:
Sehen wir zunächst zwei Partien zwischen Karpow und dem seinerzeit einzigen ernsthaften Rivalen Wiktor Kortschnoi. Ihr Duell 1974 war
formell "nur" ein Kandidatenfinale, doch nach Fischers Rückzug wurde es nachträglich zum Kampf um den WM-Titel. Karpow ging mit dem
hier gezeigten Sieg in der 2. Partie in Führung, die er später ausbaute und trotz Kortschnois starkem Finish nicht mehr abgab.
Karpow – Kortschnoi, Moskau 1974
Der übernächste WM-Kampf dieser beiden Spieler fand 1981 in Italien statt. Es wurde bis zum sechsten Sieg eines Spielers gespielt.
Bereits in der hier gezeigten 9. Partie holte Karpow seinen vorentscheidenden 4. Erfolg. Er gewann schließlich mit 6:2 Siegen nach
18 Partien.
Kortschnoi – Karpow, Meran 1981
Nach dem Abbruch des Wettkampfes 1984 trafen Karpow und Kasparow 1985 erneut aufeinander. Nach ausgeglichenem Verlauf in der ersten Hälfte
setzte sich der junge Kasparow schließlich durch. Vorentscheidenden Charakter hatte die hier gezeigte 16. Partie.
Karpow – Kasparow, Moskau 1985
Beim WM-Wettkampf der PCA geriet Kasparow gegen Anand nach 8 Remis zunächst in Rückstand, schlug aber in der hier gezeigten
10. Partie sofort zurück. Danach brach der Inder ein und unterlag noch deutlich.
Kasparow – Anand, New York 1995
Auch in der folgenden Partie sind zwei Weltmeister am Brett. Allerdings wurde die Partie zwischen Kasparow und Kramnik nicht in einem
WM-Kampf gespielt, sondern bei einem hochkarätigen Turnier in Spanien 1996. Kramnik wurde Turniersieger, Kasparow belegte hinter Topalow und
Anand den vierten Platz. Die Entscheidung über den Turniersieg fiel in dieser Partie:
Kasparow – Kramnik, Spanien 1996
Man stelle sich die extreme Dramatik der Profi-WM 2004 vor: Leko führte vor der letzten Partie mit 7:6. Ganz dicht war er damit
dem WM-Titel. Kramnik benötigte unbedingt einen Sieg, um die WM-Krone zu behalten, denn ein 7:7 genügte ihm als Titelverteidiger.
In einer denkwürdigen Partie schnürte er seinen Gegner ein und zog im richtigen Moment buchstäblich die Mattschlinge zu.
Kramnik – Leko, Schweiz 2004
Und wieder ist es Zeit, auf einige interessante Seiten im Internet zu verweisen.
Zum Öffnen der Seiten bitte immer den Text im linken Tabellenfeld anklicken.
URL | Erklärung |
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Schachmatt-Foren Chessportal-Foren |
Deutschsprachige Diskussions-Foren zu allen Aspekten des Schachspiels und -sports. |
Der Schachtrainer | Viel versprechende Schachseite mit Turnierberichten, Anfängerlehrgang, Taktikaufgaben und vielem mehr. |
Schachgedichte | Auf der Seite von Stefan Pölt gibt es u.a. auch einige in Gedichtform gefasste Schachpartien. |
Chess History | Englischsprachige Seite zu speziellen Themen der Schachgeschichte. Wichtig vor allem, weil hier regelmäßig die "Chess Notes" (nette kleine Beiträge zur Schachgeschichte) veröffentlicht werden. |
German Base | Ergebnisse und Partiesammlungen zur Deutschen Schachgeschichte |
Tablebases Online | Eine weitere Möglichkeit zur Online-Verwendung der Tablebases (vergl. Trainingseinheit 24). Deutschsprachig. |
Wir sprachen gerade davon, dass die Weltmeisterschaften schon lange nicht mehr das sind, was sie früher einmal waren.
Auch die Organisatoren – wir erinnern uns: 2004 eine bekannte Tabakfirma – scheinen manchmal
nicht ganz auf der Höhe zu sein:
Das offizielle Plakat und Logo dieser Weltmeisterschaft(!) zeigt jedenfalls ein Schachbrett der Maße 8x14 und dabei eine
Anfangsaufstellung mit König und Dame von Weiß auf den falschen Feldern.
Tim Krabbé hat noch mehr solche Peinlichkeiten (z. B. aus Cartoons oder sogar vom Titelbild ernsthafter
Schachbücher) gesammelt. Man sehe dies z. B. auf seiner Homepage unter
dem Diary-Eintrag Nr. 259.
Was gibt es da nicht alles zu sehen: Die falsche Brettstellung mit schwarzem Feld rechts unten nimmt man ja fast noch in Kauf.
Das soll zu fortgeschrittener Stunde auch schon in ordentlichen Schachklubs passiert sein…
Unbestrittenes Highlight ist für mich die Schachuhr mit 2 Hebeln aber nur einem Zifferblatt.
Für Fragen, Kritiken und Anregungen bitte Email an mich