Trainingsmaterial Nr. 50

Inhaltsverzeichnis

Zugzwang-Situationen
Eröffnung intensiv – Folge 16
Mal wieder die Grundreihe
Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 26
Nachschlag
Final Fun
Schach-Links – Folge 19




Zugzwang im Endspiel

Den Begriff des Zugzwangs haben wir schon oft gestreift und als wirksame Methode kennengelernt, eine Gewinnstellung zu erreichen. Gerade im Endspiel mit seinen wenigen Figuren ist es immer eine Überlegung wert, ob man den Gegner durch ein Zugzwangsmotiv in Verlegenheit bringen kann. Dieses Thema war vor einiger Zeit Gegenstand eines ausführlichen Trainings in unserem Partnerverein. Die Auswahl der folgenden Beispiele basiert auf dieser Veranstaltung – mein ausdrücklicher Dank daher an den Referenten Jan Holger Neuenbäumer.
Besonders beeindruckend sind in vielen Beispielen die reizvollen geometrischen Konstellationen.

Oft gelingt es, mit dem Mittel des Zugzwangs eine scheinbar in Stein gemeißelte Schach-Weisheit auszuhebeln. So im ersten Beispiel das Gesetz, wonach Endspiele mit ungleichfarbigen Läufern immer remis seien.
Spasski – Milic, Belgrad 1964

Ähnlich verhält es sich bei der Konstellation "Randbauer und falscher Läufer". An der Einschätzung, dies sei remis, wird man nicht viel ändern können. Aber vielleicht kann man ja per Zugzwang den Bauern von der Randlinie weg bewegen.
Short – Kasparow, Belgrad 1989

Sehr überraschend ist es oft, wie unbeweglich selbst im Endspiel die sonst so agilen Schwerfiguren sein können.
Studie von Gorgijew, 1928
Zum Thema "Schwerfällige Schwerfiguren" möchte ich auch an die Studie von F. Richter aus Trainingseinheit 34 erinnern.

Ein weiteres beliebtes Thema ist die Darstellung der Überlegenheit einer langschrittigen Figur über den Springer.
Studie von Kasparjan, 1946

Zum Schluss nun wohl das ästhetische Highlight. Am Ende der Partie haben beide Seiten je zwei Springer, aber deren Wirkung ist höchst unterschiedlich.
Studie von Gurewitsch, 1927




Eröffnung intensiv: Das Lettische Gambit

Heute lernen wir die faszinierenden Stellungen kennen, die sich nach den Zügen 1.e4 e5 – 2.Sf3 f5 aus dem Lettischen Gambit ergeben. Schon nach kurzer Zeit kann es auf dem Brett hoch her gehen und beide Spieler lassen in wilden Angriffen ihrer Phantasie freien Lauf.
Das Trainingsmaterial zu dieser Eröffnung ist in einem eigenen Dokument dargestellt:
Lettisches Gambit




Mal wieder die Grundreihe

Die Warnung vor einem Matt auf der Grundreihe kann nicht oft genug wiederholt werden. Heute beschäftigen wir uns mit einem recht häufigen Motiv, bei dem die Grundreihenschwäche mit einer Diagonal-Fesselung kombiniert wird.
Rein schachlich ist das gar nicht so anspruchsvoll und deshalb ist oft auch die Unachtsamkeit eines Spielers das eigentliche Problem. Der aktuelle Anlass ist übrigens die Deutsche Jugendmeisterschaft 2009. In der Altersklasse U10 belegten zwei Berliner Jungs die ersten Plätze. Die Entscheidung über Gold und Silber fiel im direkten Aufeinandertreffen durch genau dieses Mattbild.

Sehen wir zum Einstieg das Grundmotiv in Reinkultur:
Reinkemeier – Dorn, Deutschland 2004
Typisch an dieser Partie war auch, dass der Schlag ganz plötzlich "aus heiterem Himmel" auf Weiß einfuhr.
Dagegen gibt es ein einfaches Rezept: Wenn man das Motiv kennt, muss man das zugehörige Stellungsmuster erkennen und an diese Möglichkeit – für sich selbst wie für den Gegner – denken. Zum Stellungsmuster gehören zunächst der eingesperrte König (oft auf einem Eckfeld) und die Möglichkeit zu einem diagonalen Damenschach. Wenn dieses Schach nur durch ein Dazwischenziehen abgewehrt werden kann, ist die Katastrophe oft nicht weit.

Es mag den jungen Fabian Reinkemeier trösten, dass fast 80 Jahre zuvor einem der Größten des Deutschen Schachs eine ähnliche Tragödie widerfuhr:
Siegbert Tarrasch (1862 – 1934) war über mehrere Jahrzehnte der führende Spieler Deutschlands. Er spielte um die Weltmeisterschaft mit und war 1914 einer der fünf ersten Schachgroßmeister der Welt. Bei dieser Deutschen Meisterschaft gegen Ende seiner Laufbahn kam er allerdings nur auf einen hinteren Platz.
Sein Gegner Albert Becker stand hier noch am Anfang seiner Schachkarriere, die ebenfalls viele beachtliche Erfolge bringen sollte.
Becker – Tarrasch, Deutschland 1925
Das Matt in dieser Form auf einem Eckfeld ist die häufigste – aber auch einfachste – Version. Es kommt sehr häufig vor, soll uns aber nach diesen beiden Beispielen nicht weiter interessieren.

Ähnlich überraschend traf es den Verlierer der nächsten Partie, der gerade selbst zum Königsangriff ausholen wollte. Sie wurde immerhin in der 2. Bundesliga gespielt
Olzem – Gerigk, Deutschland 1983
Hier haben wir gesehen, dass unser Mattbild nicht nur in der Ecke funktioniert, sondern auch auf anderen Linien, wenn der Fluchtweg für den König abgeschnitten ist. Die Rolle des Brettrandes übernimmt dabei eben eine gegnerische Figur.

Auch im folgenden Beispiel steht der König in der Brettmitte. Aber unglücklich postierte eigene Figuren und eine zusätzliche Fesselung machen ihm den Garaus.
Topazzini – Rojas, Argentinien 1996

Wie wohl jedes Motiv wirkt auch unser Grundreihenmatt besonders effektvoll, wenn es mit einem einleitenden Damenopfer kombiniert wird. In einer bestimmten Form gehört das Damenopfer aber schon fast zum Standard und wird sehr häufig gezeigt. In diesem Fall übernimmt dann der Läufer die weiterhin notwendige diagonale Fesselung.
Kastner – Postupa, Tschechien 2003
Damenopfer und Fesselung begegnen uns auch im abschließenden Beispiel.
Frih – Calas, Frankreich 2004




Eröffungsfallen und Kurzpartien
Heute: Die Rubinstein-Falle

Diese Falle ist nach dem polnischen Schachmeister Akiba Rubinstein (1882 – 1961) benannt. Er war einer der besten Spieler seiner Zeit und gehörte um das Jahr 1910 zu den Anwärtern auf den Weltmeisterthron.
Die hier vorgestellte Falle trägt seinen Namen, obwohl sie nicht etwa von ihm erfunden wurde, sondern – im Gegenteil – ausgerechnet der große Rubinstein gleich zweimal in diese Falle getappt ist. Allerdings waren seine Bezwinger keine geringeren, als die Weltmeister Aljechin und Euwe.
Die wenig schmeichelhafte Bezeichnung stammt von dem renommierten Schachhistoriker Edward Winter, an dessen Werk ich mich hier auch bei der Partieauswahl orientiert habe.

Sehen wir also zunächst die beiden namensgebenden Partien:
Euwe – Rubinstein, Bad Kissingen 1928
Aljechin – Rubinstein, San Remo 1930

Soweit also die Rubinstein-Falle in Reinkultur. In den meisten Beispielen aus der Schachgeschichte liegen die Dinge in der Tat so klar. Meist hat der Schwarzspieler die Falle durchschaut und steht dann eben mit einem Minusbauern und der schlechteren Stellung da. Da diese Partien sehr ähnlich sind, können wir auf weitere Vorführungen verzichten.
Einen Fall wollen wir aber noch betrachten, bei dem das Fallen-Motiv im Hintergrund bleibt und die Varianten deutlich komplizierter sind.
Brody – von Gottschall, Düsseldorf 1908




Nachschlag

Auch heute gibt's einige delikate Zugaben zu bereits besprochenen Themen.

In der Chinesischen Meisterschaft 2009 sahen wir ein eindrucksvolles Beispiel zur Turm-Läufer-Batterie, die wir aus Trainingseinheit 4 kennen.
Großmeister Bu bezwingt den ähnlich hochkrätigen Großmeister Li mit einer sehr schönen Kombination.
Li Chao – Bi Xiangzhi, China 2009

Weiter oben haben wir einen spezifischen Fall von Grundreihenschwäche besprochen. Bereits mehrfach (z. B. in Folgen 9 und 31) hat uns dieses Thema beschäftigt. Doch die speziellen Motive hierzu sind so vielfältig, dass man gar nicht genug davon reden kann. Schauen wir uns also einige weitere Partieschlüsse an, die mir jüngst über den Weg liefen…
Die erste Stellung zum Thema wird in der Literatur nur mit Jugoslawien, 1949 bezeichnet. Die Namen der Spieler sind nicht bekannt und es kann sich durchaus um eine konstruierte Stellung halten. Das macht sie aber nicht weniger eindrucksvoll und lehrreich.
Grundreihenschwäche, "Jugoslawien 1949"

Manchmal sind es auch relativ ungewöhnliche Bilder, in denen das geübte Auge eine Grundreihenschwäche erkennt. Im folgenden Beispiel gewinnt Weiß zwar nur eine Figur, doch auch damit hat die schwache Grundreihe ihre Wirkung erreicht.
Svetushkin – Ris, Griechenland 2009

Und noch ein Blick auf die Vielfalt der möglichen Grundreihenmotive. Selbst ein Profi wie der russische Großmeister Kalinitschew kann in einem Moment der Unachtsamkeit diesem Problem erliegen. In der Schlussrunde des Turniers "Lichtenrader Herbst" unterlag dem Eberswalter Eric Rolle sehenswert.
Kalinitschew – Rolle, Berlin 2009




Final Fun

Immer sind wir auch auf der Suche nach dem Besonderen in unseren Partien. Wenn der rein schachliche Wert dabei hinter der Kuriosität zurück tritt, ist diese Rubrik der richtige Parkplatz dafür. So wurde ich unlängst auf die Frage aufmerksam, ob es Partien gibt, in denen beide Seiten sich sozusagen ein gegenseitiges Dauerschach geben. In der Tat fanden sich bei Edward Winter einige wenige Beispiele. Das erste stammt aus einer Partie, die 1952 in einem Buch veröffentlicht wurde, wobei man sich auf eine frühere Zeitungsspalte berief. Einzelheiten zu den Spielern, Ort und Zeit sind nicht bekannt.
"Gegenseitiges Dauerschach"
Der große amerikanische Studienautor Sam Loyd soll eine Aufgabe dieser Art konstruiert haben, die er passenderweise "The Whirlpool" nannte. Diese ist jedoch – falls sie überhaupt existierte – verschollen. Eine Studie zum Thema gibt es dennoch. Sie stammt von E.B. Cook.
Studie von Cook, 1856

Bild Und weil dies eine Jubiläumsausgabe ist, legen wir noch eine lustige Geschichte drauf. Die rechts abgebildete Stellung ergab sich 1958 in einer Partie zwischen den Spielern Chalomejew und Gurin.
Gurin zog nun seinen Bauern nach g1, setzte aber keine Figur dafür ein. Er sagte laut und vernehmlich "Dame" (vermutlich sagte er es auf Russisch).
Darauhin zog Weiß De2-d1+. Schwarz steht im Schach, muss die Dame schlagen und setzt seinen Gegner damit patt. – Also Unentschieden? – Nein, der Schiedsrichter bemängelte, dass Schwarz seinen Zug nicht korrekt ausgeführt habe. Er setzte die Stellung zurück und ließ Herrn Gurin den Zug erneut ausführen. Der hatte nun die Patt-Misere erkannt und griff freudig nach der zweiten Chance. Also zog er erneut g2-g1 (das musste er ja – "Berührt – Geführt"). Jetzt aber wollte er ganz schlau sein und nahm sicher lieber einen Turm. Der eben gezeigte Patt-Trick klappt nun nicht, aber Herr Chalomejew spielte jetzt De2-b5+. Wieder muss Schwarz diese Dame schlagen – und wieder ist es patt.




Schach-Links

Nun folgen wieder einige Empfehlungen zum Surfen im weltweiten Netz. Leider haben manche gute Seiten eine recht kurze Halbwertszeit. Deshalb sollte man bezüglich der früher vorgestellten Seiten auch auf den Hauptseiten des Trainingsbereichs nachschlagen. Dort werden die Angaben gelegentlich aktualisiert.

URL Erklärung
Caissa Ein aktuelles Schachportal in deutscher Sprache mit aktuellen Turnierinformationen und einem sehr guten Archiv über Top-Turniere und Weltmeisterschaften der Vergangenheit.
Chess-Coaster Zum Ausspannen mal ein wenig Fun: Schach in der Achterbahn. Aber wohl leider keine echten Aufnahmen.
Schachzeitung Eine relativ neue deutschsprachige Schachzeitung mit interessanten Ideen.
Schachwelt Eine weitere neue deutschsprachige Schachzeitung.
Schachzoo Ein weiterer vielversprechender Schachblog. Der IM Ilja Schneider äußert sich zu allgemein interessierenden Schach-Themen und berichtet sehr unterhaltsam und lehrreich von seinen Turnierstarts.
Schachwitze Schachwitze auf der Seite des SV Görlitz. Viel Spaß.
Schach in der Malerei Eine schön präsentierte Auswahl von Schachmotiven auf Gemälden. FRANZÖSISCH
Kleiner Tip: Bei vielen Bildern ist die Stellung des Schachbretts falsch oder dieses hat weniger oder mehr als 64 Felder.
SG Zürich Auf der Seite des herausragenden Schweizer Schachklubs findet man interessante Trainingsangebote. Unbedingt für einen Besuch und eingehendes Studium zu empfehlen.



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Thomas Binder, 2009