Zur Herderschach-Homepage | Zur Trainings-Startseite |
Weltmeisterschaftskampf 2016
4 x 4 im Quizformat
Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 30
Eröffnungsfallen und Kurzpartien – Folge 31
Die van-Breukelen-Studie
Das Prokeš-Manöver
Nachschlag
Final Fun
Der junge Norweger Magnus Carlsen hat Ende 2016 seinen WM-Titel erfolgreich verteidigt. Von der in New York ausgetragenen Weltmeisterschaft wird wohl vor allem ein Zug – der allerletzte – in Erinnerung bleiben.
Das Recht zur Herausforderung des Weltmeisters hatte sich diesmal der ebenfalls 1990 geborene Sergej Karjakin erkämpft. Karjakin stammt aus der Ukraine, wechselte aber vor einigen Jahren nach Russland. Angesichts dessen, dass sich beide Länder in einem ernsthaften politischen und zum Teil gar militärisch ausgetragenen Konflikt befinden, ist dies eine Entscheidung, die bei Menschen, die über den Rand des Schachbretts hinaus denken, nicht wirklich Sympathie hervorruft. Karjakin gilt als Anhänger des russischen Präsidenten Putin.
Dass der Autor auch gegenüber Carlsen aus dem Abstand von knapp drei Jahrzehnten mehr an Lebenserfahrung eine gewisse Distanz aufbringt, dürfte bekannt sein. Daher beschränken wir uns – wie schon bei der vorigen WM –
auf die Wiedergabe eines Zitats. Stefan Löffler, einer der wichtigsten deutschen Schachjournalisten, schrieb in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nach der von Carlsen verlorenen 8. Partie u.a.:
"…Carlsens betont herablassende und gleichgültige Antworten während der Pressekonferenzen und sein Herumlümmeln auf dem Podium zeugen weder von Respekt vor Gegner und Publikum noch von der Erkenntnis,
dass sein Titel in diesem Match in Gefahr geraten könnte. … Sein unreifes Auftreten abseits des Brettes gleicht seinem unausgeglichenen, ungeduldigen Spiel auf den 64 Feldern."
Der WM-Kampf war auf 12 Partien angesetzt. Bald zeigte sich, dass Carlsen diesmal nicht in Bestform agierte. Karjakin war gut vorbereitet und verteidigte schwierige Stellungen bemerkenswert stark. Carlsens sonstige
Stärke im Ausnutzen kleinster Vorteile kam nicht zum Tragen.
Nach einer Serie von sieben Remispartien gewann schließlich Karjakin mit Schwarz. Auch in der folgenden neunten Runde war der Herausforderer auf der Siegerstraße. Doch diesmal ließ er seine Chance verstreichen, und
Carlsen schlug in Runde 10 zurück. Nach zwei weiteren Remis stand es 6:6 und die Entscheidung über den Weltmeistertitel musste zum dritten Mal in der Geschichte per Schnellschach gefunden werden.
Diese Schnellschach-Entscheidung wurde zum eigentlichen Höhepunkt der WM. Es waren vier Partien angesetzt. Die Bedenkzeit betrug 25 Minuten pro Spieler bei einem Zuschlag von 10 Sekunden pro Zug.
Zwischen je zwei Partien gab es nur eine kurze Pause.
Bestimmendes Moment war, dass Karjakin in allen vier Runden früh in großen Zeitrückstand geriet und gegen Ende nur noch mit den jeweils zugeschlagenen Sekunden spielen konnte.
Die beiden ersten Partien des Stichkampfes endeten remis. Dabei ist vor allem das Ende der zweiten Partie sehr lehrreich. Carlsen hatte deutliche Vorteile ungenutzt gelassen, und nun rettete sich Karjakin durch
Ausnutzung eines wichtigen Remis-Motivs.
Carlsen – Karjakin, New York 2016, 2. Partie im WM-Stichkampf
Nach dieser unerwarteten Wendung der 2. Partie sahen die Kommentatoren schon deutliche psychologische Vorteile beim Herausforderer. Doch Carlsen griff in der dritten Partie energisch an, opferte einen Bauern und
erreichte eine sehr gefährliche Stellung. In Zeitnot unterlief Karjakin dann der wohl einzige echte Fehler des Stichkampfes.
Karjakin – Carlsen, New York 2016, 3. Partie im WM-Stichkampf
In der folgenden Partie hätte Carlsen nun bereits ein Remis genügt. Doch er beendete den Stichkampf mit einem wahrhaft weltmeisterlichen Zug.
Carlsen – Karjakin, New York 2016, 4. Partie im WM-Stichkampf
Über den letzten Zug wurden verdientermaßen weltweit Lobeshymnen angestimmt. Es ist wohl der schönste Zug, mit dem je eine Weltmeisterschaft abgeschlossen wurde.
Für die bewusst subjektive Darstellung in diesem Abschnitt zeichnet der Autor ausdrücklich persönlich verantwortlich. Sie drückt keinen mangelnden Respekt vor der schachlichen Leistung beider Spieler aus. Andere Ansichten werden selbstverständlich respektiert.
Bitte löst auch diesmal die Aufgaben "vom Blatt" ohne Computerhilfe und möglichst auch ohne Schachbrett.
|
|
||||
|
|
Bitte erst in die Lösungen schauen, wenn ihr euch für eine der Antworten A – D entschieden habt.
Aufgabe 1: Binder – NN, Berlin 2016
Aufgabe 2: Ergle – Gesele, Lettland 1964
Aufgabe 3: von Wantoch-Rekowski – Korb, Berlin 2017
Aufgabe 4: Studie von Leick, 1930
Vorab: Warum diese Falle mit dem Namen der amerikanischen Großstadt Pittsburgh in Verbindung gebracht wird, ist völlig
unklar. Oft wird der Name auch ohne das abschließende "h" geschrieben, was zusätzlich Zweifel nährt. Es gibt sogar die
These, dass hier einfach eine Verwechslung mit dem Namen des amerikanischen Top-Spielers Harry Nelson Pillsbury
(1872 – 1906) vorliegt. Immerhin gibt es von ihm gleich mehrere Beispiele zu dieser effektvollen Falle.
Nicht ganz klar ist auch, in welchen Partien diese Falle tatsächlich gespielt wurde und wo sie nur in den Kommentaren
als mögliche Fortsetzung vorkam. Wir beschränken uns daher auf eine Darstellung der Zugfolge ohne konkreten Partiebezug.
Die Pittsburgh- oder Pillsbury-Falle
Das heute besprochene Motiv ist uns erstmals bei der Betrachtung des Morra-Gambits unter die Augen getreten. Es kann sich aber aus
sehr verschiedenen Eröffnungen ergeben.
Die Vorraussetzungen sind schnell erkannt:
Blicken wir also zunächst noch einmal auf die Falle in Reinkultur.
Balzar – Sydor, Dänemark 1988
Auch im zweiten Falle geht dem Motiv ein Springeropfer auf c3 voraus. Da hätte der Schwarzspieler doch eigentlich misstrauisch werden müssen.
Kostov – Iliev, Bulgarien 2015
Wenn Schwarz nicht sofort aufgibt, kristallisieren sich in den nächsten Zügen einige typische Angriffs- und sogar Mattmotive heraus.
Dazu gehört das folgende recht oft gesehene Mattbild.
Walker – Boyle, USA 1994
Unser folgendes Beispiel vereinigt einige Elemente des Motivs auf spannende Weise. Am Ende aber behält Weiß Recht.
Rellstab – Keller-Herrmann, Deutschland 1948
Wie bei allen Eröffnungsfallen ist es auch hier so, dass das Wissen darum manchmal einen schnellen Punkt einträgt. So erging es
dem Autor dieser Zeilen selbst bei einem Open 2016 in Potsdam.
Binder – Odoy, Potsdam 2016
Nicht immer geht das alles so einfach von der Hand wie in den bisher gezeigten Partien. Wenn z. B. das Feld e7 nicht blockiert ist,
kann eine Gegenchance für Schwarz in einem Abzugsangriff bestehen, der die Dame zurück erobert.
Beispiel aus dem Dänischen Gambit
Während diese "Gegenfalle" in der Literatur gut bekannt ist, bin ich bei meinen Recherchen auf eine andere bemerkenswerte
Remisvariante gestoßen, die sich in den Datenbanken ebenfalls recht häufig findet. Allein mit genau dieser Zugfolge kennt die
Mega-Database 10 Partien.
Aagard – Nielsen, Dänemark 1992
Unlängst wurde ich im Vereinstraining auf eine besonders schöne Aufgabe des Holländers Gijs van Breukelen aufmerksam. Sie gehört
zu den berühmtesten und kompliziertesten Schach-Studien überhaupt. Vor dem Vergessen bewahrt sie vor allem eine Begebenheit beim
Großmeisterturnier in Brüssel 1987. James Plaskett zeigte sie seinen Großmeisterkollegen, von denen keiner die Lösung fand.
Keiner? Nein – Exweltmeister Michail Tal sah sich die Stellung kurz an, unternahm einen 10minütigen Spaziergang im Park und
präsentierte bei seiner Rückkehr die Lösung.
Seither wird die Aufgabe immer wieder vorgestellt. Es gibt im Internet zahlreiche Besprechungen dazu, darunter auch einige instruktive Videos.
In der nebenstehend abgebildeten Stellung soll Weiß gewinnen. Vielleicht versucht ihr auch zunächst, die Geheimnisse der Stellung zu ergründen,
bevor ihr euch die folgenden Analysen anseht.
Hier zunächst die einleitenden Züge, bei denen man mit glasklarer Logik zur richtigen Lösung kommen kann:
Studie von Gijs van Breukelen – 1. Teil
In der nächsten Phase zimmert Weiß unter Opfern einen Käfig für den gegnerischen König. Das muss zum Matt reichen, aber Schwarz wird sich ideenreich verteidigen.
Studie von Gijs van Breukelen – 2. Teil
Während Schwarz auf Matt steht, nimmt die letzte verbliebene weiße Figur immer wieder Anlauf, das Werk zu vollenden. Schwarz findet zweimal eine höchst
überraschende Verteidigung.
Studie von Gijs van Breukelen – 3. Teil
Der Schlussakkord: Mit einem weiteren genauen Manöver bringt Weiß den gegnerischen König schließlich zur Strecke.
Studie von Gijs van Breukelen – 4. Teil
Mit dem Namen des Tschechen Ladislav Prokeš (1884 – 1966) ist ein recht häufig auftretendes taktisches Motiv verbunden.
Obwohl es Prokeš zunächst in einer konstruierten Studie zeigte, hat das nach ihm benannte Manöver eine recht große praktische Bedeutung im Turnierschach.
Worum geht es also? Wie im Bild zu sehen, droht ein schwarzer Bauer auf zwei Feldern mit Umwandlung. Mit Weiß am Zug könnte man ihn auf einem Feld gerade noch aufhalten. Der Weg zum anderen Umwandlungsfeld ist aber für den weißen König zu weit. Es muss Weiß also gelingen, den eigenen Turm von dort zu entfernen, um dieses Feld für die Bauernumwandlung auszuschließen. Das muss natürlich mit Tempogewinn geschehen, denn sonst käme man in jedem Fall zu spät.
Sehen wir zunächst die Schlussphase der originalen Prokeš-Studie, die 1939 in einer schwedischen Zeitung veröffentlicht wurde. Die komplette Aufgabe hat noch ein "Vorspiel".
Wir beschränken uns hier aber auf den thematisch relevanten Teil.
Studie von Ladislav Prokeš, 1939
Nun zu einigen Beispielen aus der Turnierpraxis. Dabei werden wir in der ersten Partie sehen, dass selbst auf höchstem Niveau – es sitzen zwei Weltklasse-Spieler am Brett –
das Prokeš-Manöver hin und wieder übersehen wird.
Timman – Ivkov, Amsterdam 1971
In der nächsten Partie sehen wir sozusagen die Verallgemeinerung des Prokeš-Themas. Hier geht es gar nicht primär um die Bauernumwandlung sondern allgemein um das Freimachen
eines potentiellen Schlagfeldes mit der gleichen Konsequenz.
Koz – Workul, Sowjetunion 1982
Schließlich sehen wir eine aktuelle Partie. Hier führt nicht der Turm den Prokeš-Zug aus, sondern eine andere Figur.
Ganguly – Salomon, Gibraltar 2017
Unser erster Rückblick gilt heute der allseits beliebten Turm-Springer-Zange. In der österreichischen Bundesliga
wurde sie unlängst wieder zum Thema – und das in sehr sehenswerter Ausführung.
Bindrich – Nisipeanu, Österreich 2016
Aus Trainingseinheit 20 kennen wir den Cochrane-Angriff, ein mutiges Opfer nach vier Zügen gegen die Russische Verteidigung. Unlängst gelang mir eine schöne
Partie mit dieser selten gezeigten Eröffnung. Schwarz wird völlig eingeschnürt, kommt nicht zur Entfaltung und wird schließlich effektvoll niedergerungen.
Binder – NN, Berlin 2017
Dass wir in dieser Rubrik eine aktuelle ernsthafte Turnierpartie präsentieren, kommt eher selten vor. Bei der folgenden Partie aus dem Mannschaftskampf Kanada – Dänemark von der letzten
Schacholympiade wird aber ein Schmunzeln nicht ausbleiben. Lehrreich ist der Partieschluss zudem. Es geht um das oft siegbringende Motiv der Fesselung, oder wie der Engländer zu sagen
pflegt: "pin and win".
Hansen – Glud, Baku 2016
Für Fragen, Kritiken und Anregungen bitte Email an mich