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Herderschach-Highlights
Dazwischenziehen ins Schach – manchmal sinnvoll?
Glanzstücke der Schachgeschichte – Folge 29
4 x 4 – im Quiz-Format
Studien zum Thema Dominanz
Bouncing Bishops
Nachschlag
Final Fun
Die Zahl hervorragender Partien der Schüler im Rahmen des Projektes Herderschach ist schier unüberschaubar. Heute wollen wir auf einige Highlights blicken, die sich seit unserer letzten Trainingsausgabe ergeben haben.
Den Auftakt macht Justin Fadeev mit einem spektakulären Partieschluss gegen einen damals fast 500 Elo-Punkte
stärkeren Spieler.
Fadeev – Yatskar, Berlin 2022
Etwa ein Jahr später lässt Peter Khutko in der Vorrunde der Berliner u14-Meisterschaft eine schöne Mattkombination
vom Stapel.
Khutko – John, Berlin 2023
Man lernt es schon als Anfänger: Das Dazwischenziehen einer ungedeckten Figur in die Wirkungslinie eines Schachgebotes ist in aller Regel
sinnlos und macht die Dinge nur noch schlimmer. Man verliert ja weiteres Material und steht danach mit dem gleichen Problem (dem Schachgebot)
weiterhin da.
Es gibt aber auch Situationen, in denen genau ein solcher Zug Rettung oder gar Gewinn verspricht. Oft blenden wir Schachspieler aber einen
solchen Zug automatisch aus und lassen die damit verbundene Chance verstreichen.
Das Paradebeispiel ist die berühmte Studie von Leopold Mitrofanow, die wir uns bereits in Trainingseinheit 30 angesehen haben.
Heute wollen wir den Gedanken neu aufnehmen und uns einige weitere Beispiele anschauen, die zudem nicht aus erdachten Kompositionen, sondern aus
tatsächlich gespielten Partien stammen.
Aus meinen eigenen Turnierpartien erinnere ich vor allem an die Partie gegen Guido Weyers (Berlin, 2011). Ich habe sie in Trainingseinheit
56 ausführlich unter dem Aspekt der "psychologischen Initiative" besprochen. Die dort als "2. Szene" vorgestellte Partiephase zeigt, dass
sich mein Gegner durch ein scheinbar sinnloses Dazwischen-Ziehen in ein Schachgebot vorteilhaft hätte aus der Affäre ziehen können. Jedoch
hatten beide Spieler (und alle Beobachter) diese Möglichkeit ausgeblendet, und die Partie nahm einen ganz anderen Verlauf.
Wesentlich unspektakulärer war eine Rettung aus Dauerschach, die mir wenige Jahre später gelang.
Binder – Zesewitz, Berlin 2014
Zwei weitere instruktive Praxisbeispiele haben wir im "Nachschlag" zum Mitrofanow-Thema in der Trainingseinheit 53 gesehen. Um Dopplungen zu vermeiden, verweise ich den Leser also auf die dort gezeigten Partien Ermenkow – Sax und Möhring – Kaikamdsosow.
Selbst der große Reshevsky wäre um ein Haar Opfer eines derartigen Zuges geworden. Sein Gegner ließ die hübsche Möglichkeit leider ungenutzt
verstreichen.
Lapiken – Reshevsky, USA 1955
Abschließend ergänzen wir mit einem weiteren Beispiel, in dem der betroffene Spieler die Rettung durch ein "sinnloses" Dazwischenziehen verpasste.
Man ist fast geneigt, ihm dafür zu danken, weil somit ein schönes Mattbild möglich wurde – doch die Wahrheit liegt bei der verpassten Rettungschance.
Berczes – Banusz, Ungarn 2010
Das erste Glanzstück, das wir uns heute anschauen wollen, stammt aus einer Partie, die in der Literatur unter
verschiedenen Namen und weiteren Angaben geführt wird. Offenbar stammt sie aus der 2. Schweizer Bundesliga.
Sie wird in vielen Sammlungen der "besten Partien aller Zeiten" genannt – obwohl das hochgelobte
Damenopfer eigentlich im falschen Moment gespielt wurde.
Meier – Müller, Schweiz 1994
Schauen wir nun auf zwei Höhepunkte aus dem Schaffen von Wladimir Simagin (1919 – 1968). Er gehörte zu jenen Spielern der zweiten und dritten
Reihe des sowjetischen Schachs, denen wegen der erdrückenden Übermacht von Weltklassespielern internationale Anerkennung weitgehend versagt blieb.
In jedem anderen Land hätten sie zur absoluten Spitze gehört.
Simagin – Abramson, Sowjetunion 1960
Jakubowutsch – Simagin, Moskau 1936
Schließlich ein Beispiel, das man sich auch als Lehrbeispiel für schnelle Figurenentwicklung und die Kraft des Läuferpaares hätte ausdenken können.
Doch es ist sogar eine "echte" Partie – mit einem Damenopfer als Sahnehäubchen.
Hartlaub – Testa, Bremen 1912
Weiter geht es im beliebten Quizfomat. Bitte löst auch diesmal die Aufgaben "vom Blatt" ohne Computerhilfe und möglichst auch ohne Schachbrett.
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Bitte erst in die Lösungen schauen, wenn ihr euch für eine der Antworten A – D entschieden habt.
Aufgabe 1: Bartolovich – Abkin, Russland 1902
Aufgabe 2: Kasparow – Runkel, Deutschland 1985
Aufgabe 3: NN – Binder, Online-Partie 2024
Aufgabe 4: Binder – Kaase, Potsdam 2024
Wir haben schon hin und wieder auf Situationen geschaut, in denen eine Figur bei scheinbar offenem Brett völlig aus dem Spiel genommen – also dominiert – wird. Heute sollen einige interessante Studien zu diesem unerschöpflichen Thema folgen.
Beginnen wir mit einem recht einfachen und doch eindrucksvollen Fall:
Studie von Rinck, 1935
Das Grundmotiv dieser Studie finden wir bereits 1896 bei dem großen russischen Studien-Experten Troitzky. Verfeinert
wird die Idee hier durch das allgegenwärtige Studienthema "Zugzwang".
Studie von Troitzky, 1896
Die Standardzugfolge bei einer solchen Dominanz des Springers über einen Läufer wird im englischen Sprachraum mit dem
einprägsamen Motto "lure – force – fork" bezeichnet. Auf Deutsch bedeutet dies etwa "Locken – Zwingen – Gabeln".
Sehen wir dazu ein einfaches Beispiel:
Studie von Kubbel, 1909
Eine sehr instruktive Sammlung solcher Dominanzaufgaben findet man bei Lichess unter diesem Link.
Durch das hervorragende Buch "Zwischenzug!" von Natasha Regan und Matt Ball wurde ich auf das Motiv der
"bouncing bishops", der hüpfenden oder aufprallenden Läufer, aufmerksam.
Die Autoren untersuchen das Thema "Zwischenzüge" systematisch und entdeckten dabei viele taktische Motive, die für die
Anwendung als Zwischenzug prädestiniert sind.
Nun also zu den "bouncing bishops". Das einführende Beispiel aus dem Buch ist sehr instruktiv. Genau genommen, ist
es zu schön, um wahr zu sein.
Bouncing Bishops – Einführungsbeispiel
Warum "zu schön, um wahr zu sein"? Nun – im Buch wird behauptet, man hätte diese Stellung mehr als 100x in
der Mega-Database gefunden. Ich fand sie dort überhaupt nicht, was mich zunächst an meiner Datenbank-Software und erst
an dann an der Ehrlichkeit der Autoren zweifeln ließ.
Tatsächlich enthalten alle betreffenden Partien einen zusätzlichen weißen Springer auf b1. Damit sind wir in einer aus der
Eröffnungstheorie bekannten Stellung, die sich im Marshall-Angriff der Spanischen Partie ergeben kann.
Mit dem zusätzlichen Springer funktioniert die Grundidee immer noch. Die verbleibende Stellung ist aber eben nur leicht vorteilhaft für Schwarz.
Um der Wahrheit willen hier die Statistik mit Datenbankstand vom Mai 2024:
Ausgangspunkt ist die Partiestellung mit zusätzlichem Springer auf b1.
Nun endlich wieder zu den Bouncing Bishops. Einige weitere Beispiele aus dem – wie gesagt wirklich großartigen – Buch von Regan und Ball wollen wir uns noch anschauen.
Zunächst eine Partie aus dem slowakischen Ligabetrieb:
Gyuricsek – Horn, Slowakei 2019
In den weiteren Partien "springt" der Läufer vorwärts mit einer Zwischenlandung. Er "bounct" etwa so, wie ein flach über das Wasser geworfener Stein.
Barczi – Kovacik, Slowakei 2022
Cramling – Barkhagen, Schweden 2001
Heute sehen wir ein historisches Vorbild zum Thema des passiven Läuferopfers. Ignaz von Kolisch gehörte seinerzeit zu den besten Spielern der Welt.
Mandolfo – Kolisch, 1858
Im New Yorker Washington Square Park treffen sich wohl zu jeder Tages- und Nachtzeit Schachbegeisterte zu lockeren Blitzpartien. Darunter befinden sich auch
manche "Glücksritter", die sich dabei ein kleines Taschengeld verdienen. Dass sie dabei nicht wirklich Turnierruhe einhalten, versteht sich von selbst. Aber
auch manch anderer "Trick" kommt sicher hin und wieder zur Anwendung.
Im Jahre 2016 traf ein solcher Spieler – ohne es zu wissen – auf den US-amerikanischen Großmeister Maurice Ashley. Das Video davon ging im Internet viral.
Neben der allgemeinen Atmosphäre mit "Trash-Talk" von beiden Seiten hat vor allem eine Szene immer wieder die Lachmuskeln strapaziert.
Sehen wir zunächst das Video auf youtube. Achtung: Externer Link!
"Wilson" – Maurice Ashley, Video bei youtube, Dauer ca. 4:20 Minuten
Kurze Anmerkung zu einem Detail: Wer genau hinsieht, erkennt, dass der Großmeister bei der Rochade beide Hände benutzt. Zur Zeit der Handlung war dies noch erlaubt, später wurde es in den FIDE-Regeln verboten.
Und nun zum seriösen schachlichen Teil: Hier die Notation der Partie mit kurzen Anmerkungen:
"Wilson" – Ashley, New York 2016
Für Fragen, Kritiken und Anregungen bitte Email an mich