Die Partie hat eine Vorgeschichte. Ich chattete am Morgen mit einem – hier nicht namentlich zu nennenden – Berliner Schachfreund über den Turnierverlauf und meine Erwartungen vor der letzten Runde. Auf Nennung meines Gegners sagte er nur "Oh nein, nicht der". Er schilderte mir Patrick Ewald als kampfstarken und nicht eben angenehmen Gegner – ich war also gewarnt. Eine gute BMM-Bilanz und ein ordentliches Ergebnis in diesem Turnier sorgten ebenfalls fur Respekt.
1.e4
c5
2.d4
cxd4
3.c3
d3
4.Lxd3
Hier bot ich Remis, was beiden Spielern zur B-Norm genügt hätte. Ewald lehnte wortlos ab. Ich war darüber fast froh, denn eigentlich wollte ich spielen…
4…d6
5.Sf3
Lg4
6.0-0
[ Gut möglich war schon: 6.Db3
Dc7
( 6…Lxf3
7.Dxb7
Lxg2
8.Tg1
Sd7
9.Txg2
Tb8
10.Dc6
) 7.Sg5
Sh6
8.Lc4
Lh5
9.Db5+
Sd7
10.Se6!
]
6…e6
7.Lf4
Sc6
8.Sbd2
a6
9.Db3!
b5
10.h3!
Selten ist ein solcher Zug wirklich gut, jedenfalls dann, wenn der Gegner seinen Läufer einfach wegziehen kann.
10…Lxf3
[ Wie die nachfolgende Variante zeigt, ist Schwarz gezwungen, das Läuferpaar zu geben. Ausserdem wird danach das Feld d1 fur meine Türme frei. 10…Lh5?
11.Lxb5
axb5
12.Dxb5
Dd7
13.Dxh5
]
11.Sxf3
Le7
12.Tfd1
Weiß steht schon recht gut. Schwarz sollte schnell die Entwicklung beenden und rochieren.
12…g5!?
Vollig unvorbereitet fällt mich der Gegner am Königsflügel an. Nachdem schon die Bauernstruktur am Damenflügel gelockert ist, muss er sich auf eine Partie ohne Rochade einstellen. Ob das gut geht?
13.Lh2
h5
14.c4!
Ein Gegenschlag am anderen Flügel im rechten Moment.
14…b4
Erschien mir während der Partie noch am besten, aber das verliert schnell. [ Möglich war ein Wettrennen der Angreifer wie 14…g4
15.cxb5
gxf3
16.bxc6
fxg2
17.Tac1
mit weißem Vorteil.]
15.Da4
Db6
[ Konsequent aber auch nicht ausreichend wäre: 15…Dd7?!
16.Lc2
g4
17.Lxd6
Lxd6
18.e5
gxf3
19.Txd6
Db7
20.Txc6
]
16.c5!
Die Entscheidung!
16…Dc7
[ Der Bauer ist nicht zu schlagen. 16…dxc5
17.Se5
Tc8
18.Dxa6
Dxa6
19.Lxa6
Tc7
( 19…Sa7
20.Lxc8
Sxc8
21.a4
) 20.Sxc6
Txc6
21.Lb5
; 16…Dxc5
17.Tac1
Da7
( 17…Db6
18.Txc6
) 18.Txc6
Dd7
19.Se5
dxe5
20.Lxa6
]
17.cxd6
Lxd6
18.Lxd6
Dxd6
19.Tac1
Hier und auch schon im 17. Zug war jeweils Lb5 möglich. Doch die von mir gewählten Züge stärkten meinen Angriff weiter und bereiten den finalen Schlag vor.
19…Sge7
20.Lb5!!
Diesen Zug aufs Brett zu bringen, war ein unglaublich schönes Gefühl – jüngere Leute würden es wohl "geil" nennen. In diesem Moment wusste ich nicht nur, dass ich diese Partie gewinne, sondern auch, dass ich das Turnier mit nie erwarteten 6 Punkten in der erweiterten Spitzengruppe beenden werde.
20…Df4
Patrick Ewald ist nicht der Typ, der in solchen Stellungen aufgibt. Mit Poker-Face sucht er eine letzte Chance.
21.Lxc6+
Kf8
22.Lxa8
g4
Hier habe ich nun sehr lange überlegt, um nichts mehr falsch zu machen. Ich wollte den Springer geben, habe aber in Gedanken immer auf f3 zurückgeschlagen. Es brauchte einige Zeit zu erkennen, dass ich den Bauern einfach stehen lassen kann und Schwarz dann nichts mehr droht.
23.Dxb4
gxf3
24.Tc8+
Kg7
25.Txh8
Sf5
26.Dc3+
Schneller gewinnt Df8+. Aber der Zug sollte vor allem demoralisieren, denn nun kann ich bei Bedarf mit der Dame auf f3 schlagen.
26…e5
27.exf5
Schwarz gab auf. Mit 6 Punkten aus 9 Partien habe ich eines meiner besten Turniere gespielt: 9 Runden ohne groben Fehler und mit vielen schönen Angriffsideen – so macht Schach Spass.
Quatsch: SCHACH MACHT IMMER SPASS. 1-0