Binder,T (1799) – Ewald,P (1786)
BEM-Qualifikation 2003, 27.04.2003

Die Partie hat eine Vorgeschichte. Ich chattete am Morgen mit einem – hier nicht namentlich zu nennenden – Berliner Schachfreund über den Turnierverlauf und meine Erwartungen vor der letzten Runde. Auf Nennung meines Gegners sagte er nur "Oh nein, nicht der". Er schilderte mir Patrick Ewald als kampfstarken und nicht eben angenehmen Gegner – ich war also gewarnt. Eine gute BMM-Bilanz und ein ordentliches Ergebnis in diesem Turnier sorgten ebenfalls fur Respekt.

1.e4 c5 2.d4 cxd4 3.c3 d3 4.Lxd3
Hier bot ich Remis, was beiden Spielern zur B-Norm genügt hätte. Ewald lehnte wortlos ab. Ich war darüber fast froh, denn eigentlich wollte ich spielen…

4…d6 5.Sf3 Lg4 6.0-0
[ Gut möglich war schon: 6.Db3 Dc7 ( 6…Lxf3 7.Dxb7 Lxg2 8.Tg1 Sd7 9.Txg2 Tb8 10.Dc6 ) 7.Sg5 Sh6 8.Lc4 Lh5 9.Db5+ Sd7 10.Se6! ]

6…e6 7.Lf4 Sc6 8.Sbd2 a6 9.Db3! b5 10.h3!
Selten ist ein solcher Zug wirklich gut, jedenfalls dann, wenn der Gegner seinen Läufer einfach wegziehen kann.

10…Lxf3
[ Wie die nachfolgende Variante zeigt, ist Schwarz gezwungen, das Läuferpaar zu geben. Ausserdem wird danach das Feld d1 fur meine Türme frei. 10…Lh5? 11.Lxb5 axb5 12.Dxb5 Dd7 13.Dxh5 ]

11.Sxf3 Le7 12.Tfd1
Weiß steht schon recht gut. Schwarz sollte schnell die Entwicklung beenden und rochieren.

12…g5!?
Vollig unvorbereitet fällt mich der Gegner am Königsflügel an. Nachdem schon die Bauernstruktur am Damenflügel gelockert ist, muss er sich auf eine Partie ohne Rochade einstellen. Ob das gut geht?

13.Lh2 h5 14.c4!
Ein Gegenschlag am anderen Flügel im rechten Moment.

14…b4
Erschien mir während der Partie noch am besten, aber das verliert schnell. [ Möglich war ein Wettrennen der Angreifer wie 14…g4 15.cxb5 gxf3 16.bxc6 fxg2 17.Tac1 mit weißem Vorteil.]

15.Da4 Db6
[ Konsequent aber auch nicht ausreichend wäre: 15…Dd7?! 16.Lc2 g4 17.Lxd6 Lxd6 18.e5 gxf3 19.Txd6 Db7 20.Txc6 ]

16.c5!
Die Entscheidung!

16…Dc7
[ Der Bauer ist nicht zu schlagen. 16…dxc5 17.Se5 Tc8 18.Dxa6 Dxa6 19.Lxa6 Tc7 ( 19…Sa7 20.Lxc8 Sxc8 21.a4 ) 20.Sxc6 Txc6 21.Lb5 ; 16…Dxc5 17.Tac1 Da7 ( 17…Db6 18.Txc6 ) 18.Txc6 Dd7 19.Se5 dxe5 20.Lxa6 ]

17.cxd6 Lxd6 18.Lxd6 Dxd6 19.Tac1
Hier und auch schon im 17. Zug war jeweils Lb5 möglich. Doch die von mir gewählten Züge stärkten meinen Angriff weiter und bereiten den finalen Schlag vor.

19…Sge7 20.Lb5!!
Diesen Zug aufs Brett zu bringen, war ein unglaublich schönes Gefühl – jüngere Leute würden es wohl "geil" nennen. In diesem Moment wusste ich nicht nur, dass ich diese Partie gewinne, sondern auch, dass ich das Turnier mit nie erwarteten 6 Punkten in der erweiterten Spitzengruppe beenden werde.

20…Df4
Patrick Ewald ist nicht der Typ, der in solchen Stellungen aufgibt. Mit Poker-Face sucht er eine letzte Chance.

21.Lxc6+ Kf8 22.Lxa8 g4
Hier habe ich nun sehr lange überlegt, um nichts mehr falsch zu machen. Ich wollte den Springer geben, habe aber in Gedanken immer auf f3 zurückgeschlagen. Es brauchte einige Zeit zu erkennen, dass ich den Bauern einfach stehen lassen kann und Schwarz dann nichts mehr droht.

23.Dxb4 gxf3 24.Tc8+ Kg7 25.Txh8 Sf5 26.Dc3+
Schneller gewinnt Df8+. Aber der Zug sollte vor allem demoralisieren, denn nun kann ich bei Bedarf mit der Dame auf f3 schlagen.

26…e5 27.exf5
Schwarz gab auf. Mit 6 Punkten aus 9 Partien habe ich eines meiner besten Turniere gespielt: 9 Runden ohne groben Fehler und mit vielen schönen Angriffsideen – so macht Schach Spass. Quatsch: SCHACH MACHT IMMER SPASS. 1-0