Mit dieser Partie beginnt für mich das OBT 2008. Ich nehme zum 6. Mal an diesem wichtigen Turnier teil. In den letzten 5 Jahren hatte ich zwischen 4,5 und 6 Punkten erreicht, wobei mein bestes Ergebnis von 2003 datiert. Diesmal starteten gut 120 Spieler. Ich war nach ELO-Zahl an Position 45 gesetzt. Mein Ziel war eine deutliche Verbesserung meiner Deutschen Wertungszahl (DWZ) und meiner internationalen Wertzahl (ELO). Natürlich sollte ein Platz besser als 45 herauskommen und mit 5,5 Punkten die "B-Norm" erreicht werden. Erster Gegner ist ausgerechnet mit Kevin ein Schüler meiner Schach-AG am Herder-Gymnasium. Das ist immer eine besondere Situation. Kevin ist sicher hoch motiviert und ich kann mich eigentlich nur blamieren… Kevins Mutter sagte voraus, er werde wohl nicht länger als 10 Minuten durchhalten – da hatte sie ihren Sohn aber schwer unterschätzt.
1.e2-e4
d7-d5
2.e4xd5
Sg8-f6
3.Sb1-c3
Sf6xd5
4.Lf1-c4
Sd5xc3
5.Dd1-f3!
zeugt von gutem Eröffnungsverständnis.
5…e7-e6
6.Df3xc3
Sb8-c6
7.Sg1-f3
Dd8-d6!?
Ein Zug, den ich nicht gerne gemacht habe. Aber anders kann ich den Läufer f8 nicht entwickeln.
8.0-0
Dd6-b4
9.Dc3xb4
Lf8xb4
10.c2-c3
Lb4-d6
11.d2-d4
0-0
12.Lc1-e3
e6-e5
13.Ta1-d1
Solange die Fesselung mit Lg4 in der Luft liegt und Schwarz danach vorteilhaft auf f3 tauschen kann (Doppelbauer), sollte man hier besser keinen Turm postieren.
13…Lc8-g4?!
Dieses geradlinige Manöver ist eigentlich verfehlt.
14.d4xe5
Sc6xe5
15.Lc4-e2
[Weiß lässt eine taktische Chance aus, die ich während der Partie auch nicht gesehen hatte. 15.Sf3xe5!
Ld6xe5
(15…Lg4xd1?
16.Se5xf7
Tf8xf7
17.Tf1xd1
Ta8-e8
18.Lc4xf7+
Kg8xf7
Weiß hat einen Bauern mehr und steht sehr gut.) 16.Td1-d2
mit Ausgleich]
15…Se5xf3+
16.Le2xf3
Lg4xf3
17.g2xf3
Die Bauernstruktur verspricht mir einen kleinen aber dauerhaften Vorteil.
17…f7-f5
Schwarz will ohne Zeitverzug einen Turm auf die g-Linie schwenken.
18.f3-f4
Ta8-e8
19.Le3xa7
Ld6xf4
[Das "normale" Einsperrmanöver b7-b6 nebst Ta8 funktioniert hier nicht. 19…b7-b6
20.La7xb6
Te8-b8
(20…c7xb6??
21.Td1xd6
) 21.Lb6-e3
Tb8xb2
22.a2-a4
]
20.La7-d4
Te8-e6
21.Tf1-e1
Tf8-e8
22.Te1xe6
Te8xe6
23.h2-h3
Ein böses Erwachen für mich, als ich erkannte, dass Kevin mit diesem Zug seine Bauernschwäche halbwegs konsolidiert. Bisher hatte ich mich nämlich darauf verlassen, dass ich den h-Bauern irgendwann sowieso abholen kann.
23…Te6-e2
24.c3-c4
Te2-d2!?
Mir fiel nichts besseres ein, als die Türme zu tauschen – immer noch in dem Glauben, ich hätte das bessere Endspiel. Doch die Mehrheit am Damenflügel gibt dem Weißen mindestens Ausgleich.
25.Td1xd2
Lf4xd2
26.Ld4-e5
c7-c6
27.Kg1-f1
g7-g5
28.Kf1-e2
Ld2-a5
29.a2-a3
Kg8-f7
30.b2-b4
Kf7-e6
31.f2-f4
[31.b4xa5??
Ke6xe5
ist für Schwarz leicht gewonnen.]
31…La5-d8
32.Ke2-d3
h7-h5
33.a3-a4
g5-g4
Konsequent spielen beide Seiten an dem Flügel, wo sie die Mehrheit der Bauern haben.
34.h3xg4
f5xg4!?
Da habe ich mich blenden lassen. Die beiden schwarzen Freibauern sehen viel gefährlicher aus, als sie sind. [34…h5xg4
ist gewiss solider.]
35.Kd3-e4
h5-h4
36.f4-f5+
Ke6-f7
37.b4-b5
g4-g3
38.Ke4-f3
Ld8-b6?
[Mit Blick auf die Möglichkeiten im nächsten Zug musste man 38…c6-c5
spielen, freilich ohne jede Hoffnung auf Gewinn. 39.Kf3-g2
b7-b6
]
39.Le5xg3??
Kevin verfällt in Panik. Dieses Opfer war völlig unnötig. [39.b5xc6
b7xc6
Jetzt hat Weiß auf der a-Linie einen gefährlichen Freibauern. Sein König hält meine Bauern problemlos auf und mein eigener König ist vom Geschehen abgeschnitten. 40.Le5-c3
Lb6-a7
41.a4-a5
Kf7-e7
42.a5-a6
Ke7-f7
… und es bleibt mir wohl nichts anderes, als Ke7-f7-e7 usw.]
39…h4xg3
40.Kf3xg3
c6-c5
41.Kg3-f4
Kf7-f6
42.Kf4-e4
Lb6-a5
43.Ke4-d5
b7-b6
44.Kd5-e4
La5-b4
45.Ke4-f4
Ich brauchte nun reichlich Zeit, um zu erkennen, wie dieses Endspiel gewonnen wird. Es gelingt mir zunächst nicht, den Gegner in Zugzwang zu bringen. Er schafft es immer wieder, seinen König so zu bewegen, dass er meinen Läufer attackiert.
45…Lb4-c3
46.Kf4-e4
Lc3-d2
47.Ke4-d3
Ld2-e1
48.Kd3-e4
Le1-g3
49.Ke4-f3
Lg3-h2
50.Kf3-e4
Lh2-e5
51.Ke4-d5
Le5-c3
52.Kd5-e4
Kf6-g5
Auch diese Königsstellung – sie nimmt dem Gegner immerhin das Feld f4 – reicht noch nicht.
53.Ke4-d3
Lc3-e5
54.Kd3-e4
Le5-c3
55.Ke4-d3
Lc3-e1
56.Kd3-e4
Kg5-f6
[Manöver von der Art 56…Le1-g3
57.Ke4-d5
Kg5xf5
58.Kd5-c6
reichen eben auch nicht zum Gewinn – im Gegenteil. 58…Kf5-e6
59.Kc6xb6
Ke6-d6
60.a4-a5
; analog 56…Le1-h4
57.Ke4-d5
Kg5xf5
58.Kd5-c6
Lh4-d8
59.Kc6-d7
Ld8-g5
60.Kd7-c7
Kf5-e4
61.Kc7xb6
Lg5-d8+
62.Kb6xc5
]
57.Ke4-f4
Le1-d2+
58.Kf4-e4
Kf6-e7!
Endlich findet Schwarz den richtigen Plan: Der König gehört nach d7, um das Eindringen seines Gegenübers auf diesem Flügel zu unterbinden.
59.Ke4-d5
Ke7-d7
60.Kd5-e4
Kd7-d6
Jetzt kann ich Kevins König endlich auf ungünstigere Felder abdrängen.
61.Ke4-d3
Ld2-g5
62.Kd3-e4
Lg5-h4
[62…Lg5-h6
ist auch ok.]
63.Ke4-f4
Lh4-f6
64.Kf4-e4
Lf6-g5
65.Ke4-f3
Kd6-e5
66.Kf3-g4
Lg5-f6
67.Kg4-f3
Ke5xf5
Geschafft. Der Rest ist einfach.
68.Kf3-e3
Kf5-e5
69.Ke3-d3
Lf6-g5
70.Kd3-c2
Ke5-d4
71.Kc2-b3
Lg5-d8
Weiß gab auf. Er verliert nach und nach die Bauern und muss mindestens einen meiner Bauern durchlassen. Das ist noch mal gut gegangen – der erste Sieg war keineswegs leicht, zeitweise ernsthaft in Gefahr. Es blieb meine schlechteste Partie und Kevin spielte in der Folge noch ein ordentliches Turnier, erreichte 3,5 Punkte. 0-1