Schulfest mit Schach-Highlights

Gleich mit zwei Simultan-Events konnten wir das Sommerfest auf dem Schulhof bereichern. Da sich das weit herumgesprochen hatte, gab es außerdem ein regelrechtes Wiedersehensfest für viele ehemalige Herderschach-Spieler.
Wie gewohnt spielten wir ein Handicap-Simultan mit 30 Minuten Bedenkzeit auf beiden Seiten der Uhr. Da sind 10 Bretter sicher auch die Obergrenze dessen, was man dem Alleinspieler zumuten kann. Diese Konstellation führt zu einem Chancenausgleich, bei dem die eine oder andere Überraschung möglich ist. Der Gast wird natürlich seine schachliche Überlegenheit ausspielen. Für das jeweilige Herderschach-Team kommt es darauf an, ihn in möglichst vielen Partien lange auf Augenhöhe zu fordern. Diese Strategie ging aus unserer Sicht heute vor allem im ersten Durchgang auf.
Ein schönes Novum war die Tatsache, dass diesmal beide Simultan-Gäste frühere Schüler des Herder-Gymnasiums und Leistungsträger unserer Schulmannschaften waren.

Bild Bild Unsere Gäste

Unseren Einsteigern stellte sich Brian Heinze (Foto links, hier mit Lena). Er hat bei uns die typische Herderschach-Laufbahn absolviert, startete in Klasse 7 und sammelte recht bald erste Erfolge in Schulschach-Turnieren. Schnell entwickelte er sich zu einem Leistungsträger der Herder-Teams, in denen er fast 70% der möglichen Punkte holte. Der weitere Weg führte ihn konsequent in unseren Partnerverein. Dort wurde er inzwischen mehrmals Vereinsmeister, spielt am Spitzenbrett der erfolgreichen 1. Mannschaft und ist im Vorstand aktiv. Das Musterbeispiel einer persönlichen Entwicklung aus unserer AG heraus.

Raphael Lagunow (Foto rechts) war bereits Deutscher Meister seiner Altersklasse, als er 2010 zu uns kam. Er wurde schnell ein integraler Bestandteil unserer Mannschaften, für die er 88 Punkte aus 101 Partien bei Deutschen und Berliner Schulschach-Meisterschaften holte. Inzwischen trägt er den Titel eines Internationalen Meisters, war U18-Team-Europameister und spielte in der Mitropa-Cup-Auswahl des Deutschen Schachbundes. Aktuell ist er Top-Spieler seines Vereins in der 2. Bundesliga.

Die Zwerge schlagen den Vereinsmeister

Nach dem Simultanspiel von Brian rieb man sich verwundert die Augen: Ja, unsere Einsteiger (Schüler aus Klassen 5 und 6) hatten mit 5½:4½ gewonnen. Natürlich ist niemand so vermessen, ihnen schachliche Überlegenheit zu attestieren. Vielmehr erwies sich die Bürde der knappen Bedenkzeit für den damit noch unerfahrenen Simultanspieler als zu hoch. Immerhin gelang es aber, viele Partien lange zumindest so weit offen zu halten, dass Brian sie nicht "en passant" abhaken konnte. So gewannen Maksim, der auch schachlich die beste Leistung zeigte, Felix, Datha, Robert und Dongkeon ihre Partien – bis auf Maksim jeweils durch Zeitüberschreitung.
Last man standing war Evan. Einerseits ist es immer eine schöne Ehre, dem Simultanspieler zum Schluss sozusagen 1:1 gegenüber zu sitzen, andererseits aber natürlich eine besondere Herausforderung, jetzt seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhalten. Brian stand klar besser, hatte aber nicht genügend Zeit zum Mattsetzen und entschied sich daher bewusst für ein Patt.

Raphael fast makellos

Unsere Fortgeschrittenen-Gruppe (Klassen 7 und 8) durfte also gegen den Internationalen Meister antreten. Diese Spieler bringen bereits einiges an Turniererfahrung mit. Sie sind dabei, die während der Corona-Zeit versäumten Erfahrungen nachzuholen. Der heutige Tag wird sie wieder ein kleines Stück weiter bringen.
Außerordentlich routiniert ging Raphael seine Aufgabe an. Es gelang ihm, einige Partien relativ schnell zu gewinnen bzw. früh auf die Siegerstraße einzubiegen. Das konnte man aber realistisch auch nicht anders erwarten. So stand es nach einer Dreiviertelstunde standesgemäß 9:0 für den Simultanspieler.
Besonderes Lob bekamen beim kurzen Resümee Ziyi und Platon, die lange ansehnlichen Widerstand zeigten. Wenn ich es richtig gesehen habe, entschied sich Ziyis Partie erst durch einen ärgerlichen Turmeinsteller. Platon hielt sogar noch etwas länger durch.

Bild Juri mit verdientem Remis

Das Drehbuch hätte man nicht besser schreiben können. Unser last man standing war diesmal Juri, der im Schachjahr 2021/22 auf allen Ebenen eine sensationelle Entwicklung gezeigt hat. Er erreichte aus dem Skandinavischen Gambit ein Turmendspiel mit einem Minusbauern. Die Computeranalyse sieht Raphael auch um diesen einen Bauern vorn. Die Umsetzung des Vorteils wäre aber noch sehr mühsam geworden, zumal Juri bereits seit einiger Zeit das richtige Maß von Aktivität und Verteidigung fand. Raphael hätte die Partie mit 7 Minuten gegen 10 Sekunden – ja, der Simultanspieler war im Zeitvorteil – locker gewinnen können. Doch er bewies sportliche Größe und bot seinem jungen Gegner Remis, was Juri natürlich erleichtert annahm. Fast noch mehr als von der schachlichen Leistung waren wir davon beeindruckt, dass unser Schüler anschließend die 35-zügige Partie aus dem Gedächtnis rekonstruieren konnte. Seine Stärke ist eben volle Konzentration auf die eigene Partie, und das hat heute einen halben Punkt gegen den Internationalen Meister eingebracht.

Das Foto zeigt die Partie kurz vor der Schlussphase mit einigen interessierten Zuschauern. Ganz rechts im Hintergrund erahnt man Platon, der die zweitlängste Partie durchstand.

Im Namen unserer Schülerinnen und Schüler bedanken wir uns bei Brian und Raphael für ihren heutigen Einsatz und freuen uns über einen rundum gelungenen Schach-Nachmittag.

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Die Arena ist hergerichtet. Interessierte Zuschauer säumen den Schachbereich.
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30 Minuten für 10 gleichzeitige Partien – auch eine läuferische Herausforderung. Dongkeon und Robert gehörten zu unseren Zeit-Siegern.
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Mehrfigur und Mehrbauer, aber nur noch 33 Sekunden auf der Uhr
Brian beendete die Partie gegen Evan wenig später mit Patt.
Iustin und Maksim nahmen sich besonders viel Zeit.
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Raphael hat seine Runden im Simultan-Käfig aufgenommen. Und manchmal war es fast ein idyllischer Sommertag.
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Noch ist das Brett gut gefüllt, aber Juri hat bereits mehr Zeit verbraucht als der Simultan-Spieler. Angesichts vielfältiger Angebote beim Sommerfest war das Publikum nicht immer sehr zahlreich, dafür aber besonders s(ch)achkundig.

Bericht und Fotos: Thomas Binder