Bild Bild Abrafaxe-Turnier 2025

Der gutgemeinte Aufsteller des Hauptsponsors regte zu nachdenklichen Diskussionen an. Dies zeigt, wie sensibel man heute mit scheinbar unverfänglichen und unmissverständlichen Formulierungen umgeht. "Kann man das heute noch so sagen?" wurde gefragt. Selbst das Wort vom Rassismus machte die Runde. Vor Ort zeigten mehr als 300 junge Schachspielerinnen und Schachspieler sowie ihre Eltern und Betreuer freilich eine ganz andere Lebenswirklichkeit. Nach äußerer Erscheinung, Herkunft, Sprache und Weltanschauung waren sie ein Spiegelbild der in unserer Stadt und dem umgebenden Bundesland alltäglich gelebten Vielfalt. Die Freude am gemeinsamen Hobby, an der sportlichen Auseinandersetzung prägte erneut einen sehr schönen Turniertag im Andreas-Gymnasium unter der umsichtigen Organisation des gastgebenden Vereins Borussia Lichtenberg. Fairness und gegenseitiger Respekt waren jederzeit das bestimmende Moment und garantierten, dass sich die besten Spielerinnen und Spieler durchsetzen konnten.

Wie immer: Herderschach vorn dabei

Bild Bild Die Prognose, dass wir in der Spitzengruppe mitreden werden, ist bei diesen Turnieren nie zu sehr gewagt. Welcher unserer Spieler dabei aber besonders weit nach vorn kommt, können selbst die Trainer und Betreuer meist auch am Turniertag nicht sicher vorhersagen. Dass es diesmal Zishuo (Bild rechts außen) war, kommt vielleicht ein wenig überraschend, war aber mit seltener Souveränität überzeugend erspielt. Endlich gelang ihm ein Turnier ohne grobe Patzer, die in der Vergangenheit noch oft gute Stellungen verdorben haben. Mit fünf Siegen – durchweg gegen Spieler aus etablierten Jugendschach-Vereinen und alle mit DWZ über 1250 – erreicht unser Spieler den 12. Platz und damit einen der begehrten Hauptpreise. Mit großem Abstand wird er bester vereinsloser Spieler. Dieses Ergebnis ist nun allerdings auch eine laute Bewerbung, selbst seine Herausforderungen in unserem Partnerverein zu suchen.

In der internen Auflistung folgt dann schon Ferris (Bild rechts innen). Ferris dokumentierte einmal mehr seinen schönen Leistungssprung dieses Schuljahres. Dabei blieb Ferris heute ungeschlagen, das gelang im ganzen Feld der A-Gruppe nur einem weiteren Spieler. Dass Ferris bei seinen Wettkämpfen fast immer Remiskönig wird, daran haben wir uns ja schon gewöhnt. Heute kamen seine Punkteteilungen auf höchst unterschiedliche Weise zustande. In der vorletzten Runde musste er z.­B. über die volle Zeit blitzen, ehe mit zwei Sekunden Restbedenkzeit das Remis gegen den Setzlistenersten unter Dach und Fach war. Allein die Unentschieden der drei letzten Runden gegen Spieler im DWZ-Bereich zwischen 1600 und knapp 1900 zeigen, auf welchem Level Ferris bereits mithalten kann.

Bild Unsere Vier-Punkter werden das Turnier sicher aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln erlebt haben. Timur (Bild links) startete mit 4 Punkten aus den ersten fünf Runden. Dabei schlug er Gegner mit Wertzahlen von 1725, 1527 und 1549 – Wahnsinn! Erst eine lange Zeit ausgeglichene Partie gegen den späteren Tabellenzweiten kostete so viel Kraft, dass auch die letzte Partie noch verloren ging. So landet am Ende ein Spieler auf Platz 22, der nach der gezeigten Leistung mit den Top-Ten mithalten konnte.

Bild Ganz anders blickt vermutlich Konstantin H. auf den Tag. Schon die Auftaktniederlage gegen Mahdi aus dem Partnerverein unserer AG zeigte, dass es heute wohl nicht in die richtige Richtung lief. Nach einigen leichteren Siegen gab es nach der Mittagspause noch zwei Niederlagen und einen sehr glücklichen Sieg. Letztlich landet Konsti aber nur fünf Plätze hinter seinem Setzlistenrang, musste noch mit 4 aus 6 in der Schlussrunde gegen den Top-Gesetzten (DWZ 1875) antreten. So gesehen darf die Enttäuschung gar nicht so groß sein, muss Konstantin noch lernen, seine Leistungen richtig einzuordnen.

In der Gruppe mit vier Punkten lesen wir auch die Namen von Aryan und Mariia. Aryan (Bild rechts) darf mit vier Siegen gegen Spieler aus renommierten Vereinen (darunter zwei über DWZ 1200) sehr zufrieden sein. Auch für ihn sollte der Schritt zu den höheren Aufgaben über einen Schachverein jetzt die logische Konsequenz sein.
Mariia spielte im besten Sinne des Wortes ein unauffälliges Turnier. Wenn man mit einem Sieg in den Tag startet, führt der perfekte Schweizer-System-Zickzack eben zu beachtlichen vier Punkten. Dass Mariia dabei alle Schwarz-Partien gewann und alle Weiß-Partien verlor, ist sicher nur ein statistischer Zufall. Kein Zufall ist hingegen leider, dass die starke Partie gegen Konstantin H. durch das alte Übel der Zeitüberschreitung verloren ging.

BildAuch in der B-Gruppe gut dabei

Unsere beiden Vertreter in der B-Gruppe durften sich zum ersten Mal auf diesem Level beweisen. Das gelang Mykyta und Lahcen mit vier bzw. drei Punkten schon recht gut. Der Abstand von einem Zähler rührt auch daher, dass Mykytas Gegner der 5. Runde nach der Mittagspause nicht mehr antrat. Blickt man auf die am Brett erspielten Siegpartien, performte sogar Lahcen (Bild links) etwas besser.

Bild Gute Partien auch im Mittelfeld

Bild Nicht für alle unsere Spielerinnen und Spieler hat es heute zu vorderen Plätzen gereicht. Die Trainer und Betreuer haben aber nicht nur auf Ergebnisse und Tabellen geschaut, sondern auch die Qualität der Partien begutachtet. Da war vor allem bei Bjarne (3½ Punkte) in den frühen Runden gegen zwei DWZ-1700er sehr viel Klasse zu sehen. Im weiteren Verlauf fiel es ihm dann allerdings schwer, die Enttäuschung und den Kraftverschleiß dieser beiden Partien zu kompensieren.
Während Barbara und Kundana (je 3 Siege) wohl etwa ihr aktuelles Leistungsvermögen ausspielten, kommen beim Blick auf die Bilanz von Konstantin B. (Bild rechts) Fragezeichen auf. Doch diese Fragen klären sich auch hier beim Blick auf die Qualität der Partien. Konstantin spielte starke Partien, schlug zwei namhafte Vereinsspieler und sah auch in den meisten Verlustpartien gut aus. Doch mit der Bedenkzeit kam er heute gar nicht zurecht. Negativer Höhepunkt war die Partie der Schlussrunde, als Konstantin zwei Züge vor dem Matt die Zeit überschritt. Aber daran kann man arbeiten – hoffentlich auch in seinem Fall bald als Vereinsspieler. Dass ihn die Turniertabelle schon als Vertreter der Schachfreunde Siemensstadt führt, war zwar eine Verwechslung mit dem großen Bruder, muss es aber ja nicht bleiben.

Das einzig ungelöste Fragezeichen steht hinter dem Ergebnis von "Bhava". Wenn man mit so großer Begeisterung und Beharrlichkeit Schach spielt und sich regelmäßig anspruchsvollen Turnieren stellt, muss man doch irgendwann auch mal merken, dass vor den Erfolg die Mühe des gründlichen Nachdenkens gesetzt ist…
OK – beim Abragefaxel ist das vielleicht nicht ganz so wichtig, da ist für alle, die sieben Runden durchgehalten haben, ein kleines Geschenkpaket vorbereitet.


Bericht und Fotos: Thomas Binder